ORCHIDEEN
EUROPAS
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ORCHIDEEN
UND NATURSCHUTZ
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Die
meisten Leute kennen Orchideen nur aus den Gärtnereien. Großblütig und farbenprächtig
sind die Züchtungen, die es dort in einer fast unübersehbaren Fülle an Formen
und Farben zu kaufen gibt. In letzter Zeit haben sich einige Züchter sogar
darauf spezialisiert, bei uns heimische Arten wie den Frauenschuh oder das
Gefleckte Knabenkraut zu vermehren und zum Kauf anzubieten. Sofern die Arten
künstlich und in Gewächshäusern vermehrt werden, ist dagegen nichts zu sagen.
Werden sie allerdings aus der Natur entnommen, wird's problematisch. Die Kontrollen
beim Zoll sind streng. Wer eine nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen
geschützte Art, wozu auch viele tropische Orchideen zählen, einführt, ohne
eine sogenannte CITES-Bescheinigung vorzuweisen, bekommt ernste Probleme.
Freilich sind die Strafen bei weitem nicht hoch genug, um den illegalen Handel
mit geschützen Arten zu unterbinden. Zu lukrativ sind die Gewinne.
In
Baden-Württemberg, wie auch in den anderen Bundesländern, stehen die heimischen
Orchideen unter strengem Schutz. Meist sind die schönsten Standorte als Naturschutzgebiet
oder Naturdenkmal gesetzlich geschützt. Und das ist auch bitter nötig. Bei
uns sind Orchideen Zeiger für eine verhältnismäßig extensive Landnutzung.
Orchideen findet man in Misch- und Laubwäldern, aber vor allem in mageren
trockenen oder feuchten Wiesen. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft
einerseits und durch Baumaßnahmen einschließlich Straßenbau andererseits sind
die Orchideenbiotope im Laufe der vergangenen 30 Jahre stark zurückgegangen.
Beispiel: Orchis morio, das Kleine Knabenkraut. Vor 30 Jahren war diese hübsche
Orchidee noch so häufig, dass man ihr den Namen Gewöhnliches Knabenkraut gab.
Heute gibt es nur noch wenige Standorte in Süddeutschland, Tendenz: abnehmend.
Aber
nicht nur der Mensch gefährdet Orchideen, auch verschiedene Tiere haben Orchideen
zum fressen gern. Besonders gründliche Arbeit können Wildschweinrotten leisten.
Haben sie erst einmal die saftigen Knollen entdeckt und schätzen gelernt,
durchwühlen sie ganze Flächen nach den Leckerbissen. Wie umgepflügt können
solche Flächen anschließend aussehen. Ein Beispiel hierfür ist ein besonders
artenreicher Halbtrockenrasen bei Branson in der Schweiz. Viele Jahre war
er insbesondere wegen seiner seltenen Hybriden weit über die Landesgrenzen
hinaus bekannt. Dann kamen vor einigen Jahren die Wildschweine und es war
vorbei mit der Pracht. Die Vegetation hat sich bis heute nicht erholt, die
Hybriden sind bislang nicht wieder aufgetaucht.
In
manchen Gegenden werden Orchideen auch von anderem Wild, insbesondere vom
Rehwild, gefressen. Betroffen sind hiervon meist Waldorchideen, wie zum Beispiel
die Waldvögeleinarten. Auch Raupen und Drahtwürmer vergreifen sich an Orchideen,
beispielsweise an Arten der Gattung Ragwurz. Mit Spannung dürfen wir auf die
Ergebnisse von schweizer Untersuchungen warten, die sich mit diesem Thema
befassen. Und nicht vergessen wollen wir eine besonders gefräßige Spezies,
die Nacktschnecken, Alptraum jedes Hobbygärtners. Man hat den Eindruck, dass
ihre Bestände zunehmen und sie an Orten auftauchen, wo sie früher nicht vorkamen.
In einem halbtrockenen Kiefernwald des Albvorlandes, in dem früher verschiedene
Stendelwurzarten in großen Beständen vorkamen, findet man heute kaum noch
ein Pflänzchen. Dafür aber viele Nacktschnecken, vermutlich von tierliebenden
Kleingartenbesitzern gesammelt und im Wald ausgesetzt. Dennoch, all diese
Ursachen mögen zu lokalen Verlusten führen. Großflächig aber ist es der Mensch,
der die Lebensräume für unsere Blumen dezimiert, meist unbewusst.
Kaum ein Landwirt hat heute noch ein wirtschaftliches Interesse, einen Halbtrockenrasen zu bewirtschaften. Oft können die charakteristischen Pflanzen- und Tierarten oft nur durch Pflegeverträge der Naturschutzverwaltung mit Landwirten gesichert werden. Alleine Baden-Württemberg gibt hierfür jährlich mehrere Millionen Mark aus. Andere Flächen, für die sich keine Landwirte finden können, werden durch staatliche Pflegetrupps erhalten. Gezielte Artenschutzprogramme sollen darüber hinaus helfen, diese Flächen zu erhalten. So scheinen die wichtigsten Vorkommen in Deutschland gesichert.
In
den Mittelmeerländern sieht die Situation nicht ganz so gut aus. In vielen
Gebieten steht der Naturschutz nur auf dem Papier. Überweidung, Nutzungsaufgabe
und hemmungslose Besiedlung der Küstenregionen führen nach wie vor zu einem
stellenweise dramatischen Rückgang von Orchideenarten. Arten- und Individuenreiche
Bestände, wie wir noch vor 10 oder 15 Jahren besucht haben, sind heute manchmal
gar nicht mehr zu identifizieren, so haben sie sich verändert.
Besonders
dramatisch ist die Situation in der Türkei. Dort sind die Orchideenbestände
nicht nur durch eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und durch
Bebauung gefährdet, sondern zudem durch das Ausgraben von Knollen. Sie werden
getrocknet und zermahlen und als Potenzmittel verhökert, Wirkung mehr als
fraglich. Einige Orchideenarten sind in manchen Regionen der Türkei so selten
geworden, dass man sich über jedes noch so kümmerliche Exemplar, das man nach
langem Suchen findet, freut. Sollte sich die Situation nicht verbessern, wovon
leider auszugehen ist, werden dort einige Orchideenarten mittelfristig gänzlich
aus der Flora verschwinden.
Wir
sollten alle unseren Teil dazu beitragen, dass unsere wildlebenden Tier- und
Pflanzenarten auch für kommende Generationen erhalten bleiben. Insbesondere
die Fotografen sind hier angesprochen. Nur allzu leicht erliegt man der Versuchung,
in empfindlichen Biotopen herumzusteigen, um das eine oder andere Exemplar
abzulichten. Bei uns ist es schon so weit, dass an einigen bekannten Standorten
an Samstagen und Sonntagen ehrenamtliche Wachdienste organisiert werden müssen,
um die Flut von Naturliebhabern in geordnete Bahnen zu lenken. Und dass man
keine Orchideen ausgräbt, sollte selbstverständlich sein. Es ist schon ein
Armutszeugnis, dass man heutzutage immer noch darauf hinweisen muss. Nehmen
Sie bitte Rücksicht.
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