ORCHIDEEN EUROPAS
EXKURSIONSBERICHTE
 

 

 

Bericht über eine Orchideenreise in die

Französichen Alpen

am 12. und 13. Juli 1999

Teil II

von

Dr. Helmuth Zelesny, Börtlingen

 

Dienstag, 13. Juli 1999

 

Gewitterstimmung in den Alpen

Gewitterstimmung mit dem schmalblättrigen Weidenröschen (Epilobium angustifolium)

 

Nachdem wir etwas Tagesproviant eingekauft haben, geht's wieder zu den Orchideen. Das Wetter ist nicht schlecht. Allerdings stehen bereits jetzt einige "Blumenkohlwolken" am Himmel. Zudem zeigt das Thermometer bereits 20 Grad und es ist schwül. Es sollte uns also nicht wundern, wenn es heute noch ein ordentliches Gewitter geben würde. Wir wollen zuerst hinauf zu einem Standort, von dem wir Standortsangaben von verschiedenen Varianten der Nigritella corneliana haben. Die Fahrt ist landschaftlich sehr reizvoll. Auch die Flora entlang der wenig befahrenen Passstraße ist recht interessant. Übrigens auch die Reste einer Schneelawine, eine willkommene Abwechslung für Dominik.

 

Das Tal weitet sich. An einer kleinen Ausbuchtung in einem größeren Weidegelände halten wir, denn am Wegesrand haben wir schwarze Kohlröschen gesichtet. Dieses Vorgehen hat sich bewährt. Meist ist dann die Suche recht erfolgreich. Leider sind die Flächen links und rechts der Straße so stark beweidet, dass kaum Blütenpflanzen mehr übrig geblieben sind. Nur die Wiesenböschung außerhalb der Einzäunung erweist sich als interessant. Hier finden wir dann auch zu unserer Überraschung ein leuchtend rot blühendes Kohlröschen. Es erinnert auf den ersten Blick stark an Nigritella rubra. Die sollte es aber hier nicht geben. Außerdem sind es keine rubra-Lippen. Nach reiflicher Überlegung und Blütenanalyse kommen wir zu dem Schluss, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Farbvariante des schwarzen Kohlröschens handelt. Sowas kommt bei dieser Art ab und an vor. Nigritella corneliana jedenfalls dürfte in einer Höhe von schätzungsweise 1600 Metern nicht zu finden sein. Hier zeigen die Händelwurz-Pflanzen wieder starke Frostschäden.

Dann das erste Donnergrollen. Je weiter wir uns der Passhöhe nähern, desto bedrohlicher werden die Gewitterwolken. Schließlich geht's richtig los, so dass wir gezwungen sind, unser Mittagsvesper im Wagen auszupacken. Bloß gut, dass wir einen Caravan dabei haben. Sonst hätten all die Leckereien gar keinen Platz gehabt. Eigentlich sieht es nicht so aus, als würde der Regen so schnell wieder aufhören. Aber der Wettergott meint es gut mit uns. Kaum sind wir mit dem Essen fertig, schaut die Sonne wieder schüchtern durch die abziehenden Wolken, so dass wir unsere Fotosachen zusammenpacken um das Gelände ausgiebiger nach Orchideen abzusuchen.

 

Nigritella corneliana

Nigritella corneliana ist eine attraktive Orchidee, vor allem so stattliche Exemplare wie diese hier

Hier oben soll es 4 verschiedene Kohlröschen-Arten und -Unterarten geben: Nigritella nigra ssp. gallica, Nigritella rhellicani, Nigritella corneliana und Nigritella corneliana ssp. bourneriasii. Wir sind gespannt, ob wir fündig werden. So ganz klar wird uns das allerdings nicht mit den Nigritellen. Klar ist, dass es hier die beiden schwarzen Kohlröschen gibt. Zu welcher Art wir aber die hier gar nicht seltenen rot- und dunkelbraun blühenden Exemplare zählen sollen, er-schließt sich uns nicht. Auch die Lippenformen sind recht variabel, was leider auch für das so entscheidende Merkmal der Einschnürung der Lippenbasis gilt. Damals vermuteten wir wieder, es handelt bei den dunkelbraun blühenden Ex-emplaren um die in der Literatur beschriebene Nigritella corneliana ssp. bourneriasii. Genauso gut könnte es aber auch die neu beschriebene Gymnadenia cenisia sein. Letzte Sicherheit haben wir nicht.

Schließlich finden wir auch noch einige typische Nigritella corneliana, zum Teil sogar sehr schöne Exemplare. Insgesamt ist diese Art hier aber recht selten, was nicht verwundert, weil wir "nur" knapp über 2000 Höhenmeter und damit unterhalb des eigentlichen Verbreitungsgebietes der Art liegen. Auch hier oben ist Gymnadenia conopsea weitgehend erfroren. Einige wenige Nachzügler allerdings blühen. Dennoch, von einer Hybride auch hier oben weit und breit keine Spur.

 

Wir fahren weiter zu einem jener Retorten-Skiorte, wo man mich eigentlich freiwillig nicht hinbringen würde. Aber wenn die Orchideen rufen, kann man schon mal ne Ausnahme machen. Dort angekommen machen sich meine Freunde auf den Weg zum Informationszentrum. Denn in der Literatur haben wir zwei interessante Ortsangaben gefunden, die wir auf der Karte nicht so recht lokalisieren konnten. Ich warte derweil im Halteverbot im Ortszentrum. Und was ich da so alles für Menschen vorbeilaufen sehe ist schon fantastisch. Die Tour wirft ihre Schatten voraus. Besonders nett fand ich eine Gruppe von Holländern. Mit Rucksack, wie es sich gehört, aber dann mit ihren Holzpantoffeln laut klappernd ziehen sie vorbei. Die werden mit den Dingern doch nicht etwa eine Bergtour vorhaben?? Und da war da noch eine junge Dame, die oben herum nur einen grobmaschigen Pulli anhatte. Die Brustwarzen waren mehr als nur erahnbar. Gut dass Dominik die nicht gesehen hat. Sonst hätte er wahrscheinlich wieder laut gefragt, was das denn für eine Tussi sei.

Hauswurz und Nelken

Blumenarrangement mit Hauswurz und Nelken

Campanula thyrsoides

Die Strauss-Glockenblume (Campanula thyrsoides) gehört zu den schönsten Glockenblumenarten unserer Alpen

 

Wir schwärmen aus ins Gelände. In der Tat finden wir hier sehr schöne Bestände von Nigritella corneliana, die gerade in Vollblüte steht. Hier soll es auch die besondere Variante von Nigritella corneliana, nämlich Nigritella corneliana ssp. bounerasii geben. Obwohl wir genaue Beschreibungen der unterschiedlichen morphologsichen Merkmale haben, ist es schwierig. Bei einigen, weit entwickelten Exemplare mit dichtem, dunkelbraunem Blütenstand könnte es sich tatsächlich um diese Subspezies handeln. Andererseits finden wir auch viele Übergänge von hellrosa bis schwarzbrauner Blütenfarbe. Und die Erfahrung zeigt, dass Nigritella corneliana durchaus eine gewisse Variabilität besitzt, vor allem was die Blütenfarbe betrifft. So wollen wir uns kein Urteil erlauben, ob eine weitere Untergliederung von Nigritella corneliana wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Bei einigen Exemplaren sind wir uns nicht mal sicher, ob wir dunkle Nigritella corneliana oder helle Nigritella nigra ssp. gallica vor uns haben, denn auch die Ausbildung der Blütenlippen schwankt bei den einzelnen Kohlröschenarten ganz beträchtlich. Auch hier wird die neu entdeckte Gymnadenia cenisia vielleicht Klarheit bringen, oder aber noch mehr zur Verwirrung beitragen. Wir finden: Nigritella nigra ssp. gallica (zerstreut, blühend), Nigritella corneliana (verbreitet, blühend), Pseudorchis albida (vereinzelt, blühend), Dactylorhiza sambucina gelb und rot (zerstreut, verblüht), Gymnadenia conopsea (vereinzelt, blühend), Orchis mascula (vereinzelt, verblüht) und Dactylorhiza alpestris (zerstreut, verblühend).

 

Bergwiese mit Nigritella corneliana

Bergwiese in voller Blüte, garniert mit Nigritella corneliana

 

Narcissus poeticus

Die Dichter-Narzisse (Narcissus poeticus) ist unübersehbar.

 

Ein überraschender Donnerschlag des langsam aufziehenden Gewitters, der insbesondere Dominik gehörig erschreckt, zwingt uns zu den Wagen. Wir fahren zurück, weg vom Gewitter. Schon bei der Hinfahrt waren uns oberhalb der Straße Nigritellen aufgefallen. Diesmal wollen wir uns hier zum Abschluss des Tages noch etwas umsehen. Der Standort erweist sich als schönste Fläche an diesem Tag. Zu Hunderten steht hier auf der verbliebenen, bislang von der Planierraupe verschonten, mageren Wiese Nigritella corneliana. Wie lange es diesen herrlichen Standort wohl noch gibt? Auch hier wieder Nigritella nigra ssp. gallica und die gerade erst aufblühende, kleinere Nigritella rhellicani, sowie alle Übergangsformen. Auch dunkelbraune, vermeintliche Nigritella corneliana ssp. bourneriasii-Pflanzen finden wir hier. Ob es sich um eine eigenständige Art oder Unterart handelt, müssen wir aber auch nach dieser eingehenden Analyse bezweifeln. Auch Gymnadenia conopsea blüht hier vereinzelt, so dass wir intensiv nach einer Hybride Ausschau halten. Aber es soll nicht sein, wir haben kein Glück. Dafür finden wir zwei Albinos von Nigritella corneliana, eine weißlich, die andere gelblich, womit wieder mal bestätigt ist, dass man oft etwas ganz bestimmtes vergeblich sucht und dafür ganz unerwartet ein anderes Highlight entdeckt.

Jetzt ist es fast dunkel geworden, höchste Zeit für die Rückfahrt ins Hotel, wo wir ein letztes Mal vorzüglich speisen. Das Gewitter hat uns inzwischen eingeholt, es regnet heftig die ganze Nacht. Da fällt uns der Abschied am nächsten morgen nicht schwer.

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