Dactylorhiza
sambucina hat ein vergleichsweise großes Verbreitungsgebiet. Es kommt
in Zentral- und Südeuropa, in Südskandinavien und Nordspanien (also
in der meridionalen bis zur temperaten Zone) vor und erreicht am Oberlauf
des Dnjepr seine östliche Verbreitungsgrenze. In höheren Lagen des zentralen
und östlichen Mittelmeers kommt die Art ebenfalls vor. Im westmediterranen
und atlantischen Gebiet wird man dagegen vergeblich nach ihr suchen.
Dactylorhiza sambucina ist damit ein ost- und zentralmediterran submediterran
pannonisch subatlantisch zentraleuropäisch sarmatisches Florenelement.
Auch
in Deutschland war die Art in Mittelgebirgslagen früher weiter verbreitet.
Heute ist sie bei uns äußerst selten und vom Aussterben bedroht. Die
noch verbliebenen Wuchsorte im Bayerischen, Thüringer, Pfälzer und Schwarzwald
sind unter Orchideenfreunden wohl bekannt und werden zur Blütezeit regelrecht
bewacht. Insbesondere zwei Ursachen sind für den Rückgang dieser Art
verantwortlich: Einmal die Nutzungsaufgabe und die damit einhergehende
Verbuschung und Bewaldung, und zum anderen die Intensivierung der Nutzung
durch Überweidung und Düngung mit Flüssig- oder Mineraldünger. In Frankreich
(insbesondere Alpen und Zentralmassiv), der Schweiz und anderen europäischen
Mittelgebirgen ist die Art zwar auch rückläufig, aber immer noch in
teilweise beachtlichen Beständen zu finden.
Der
Name Dactylorhiza sambucina ist übrigens nicht unumstritten. Nach Baumann
und Künkele wäre der Name Dactylorhiza latifolia legitim. Der deutsche
Name Holunderknabenkraut ist dagegen nicht nur seit vielen Jahren geläufig,
sondern auch recht treffend. Die Blüten duften nämlich schwach nach
Holunderblüten. Das Holunderknabenkraut ist (wie übrigens auch Dactylorhiza
romana) polychrom, will heißen, man findet sowohl gelbblühende als auch
rotblühende Pflanzen. Die rotblühenden Exemplare sind auf der Lippenbasis
und im Blütenschlund gelblich gefärbt, während die gelbblühenden Exemplare
eine mehr oder weniger starke rotfarbige punkt-, strich- oder schleifenförmige
Lippenzeichnung haben. Der Anteil der Farbvarianten in einer Population
variiert von Ort zu Ort, meist aber überwiegen gelbblühende Pflanzen.
Manche Bestände sind gar rein gelbblühend, während ausschließlich rotblühende
Exemplare in Mitteleuropa, den Alpen und am Mittelmeer noch nicht gefunden
wurden.
Manche
Autoren wollen eine positive Korrelation zwischen Wuchsbedingungen und
Blütenfärbung festgestellt haben. Demnach sollen rote Exemplare verstärkt
an Standorten vorkommen, wo sich die Art besonders wohl fühlt. Bei weniger
günstigen Wuchsbedingungen dagegen sollen die gelbblühenden in der Überzahl
sein, so dass aus dem Verhältnis der gelb- zu den rotblühenden Exemplaren
auf die Vitalität des Bestandes geschlossen werden kann. Einen wissenschaftlichen
Beweis hierfür gibt es allerdings nicht. Dort wo beide Farbvarianten
gemeinsam vorkommen, findet man alle farblichen Übergänge mit interessanten
Zwischentönen und Farbmustern (siehe Abbildungen im Bildarchiv).
Zu verwechseln ist
die Art allenfalls bei gleichzeitigem Vorkommen mit Dactylorhiza romana,
Dactylorhiza markusii (Monte Gargano) oder Dactylorhiza insularis (Aude,
Zentralmassiv, Orchidee des Monats Februar 2000). In Mitteleuropa kommt
nur ein weiteres, gelbblühendes Knabenkraut auf vergleichbaren Standorten
vor, nämlich Orchis pallens (Orchidee des Monats April 2000). Von diesem
ist das Holunderknabenkraut aber immer gut zu unterscheiden. Dactylorhiza
sambucina ist eine früh blühende Orchidee. In mediterranen Mittelgebirgslagen
blüht sie bereits im April, in den Alpen kann sich die Blüte je nach
Höhenlage bis in den Juni/Juli erstrecken. In den Südalpen wagt sich
die Art mit ihrem charakteristischen zylindrisch-kegelförmigen, nach
unten gebogenen Sporn bis hinauf in 2600 Metern Höhe. Man findet sie
insbesondere auf frischen bis trockenen Wiesen, Magerrasen und Bergwiesen,
fast immer auf sauren Böden über silikatischem Gestein. Sie liebt besonnte
Standorte. Die Chromosomenzahl beträgt 2n=40.
Hybriden
findet man im Alpenraum gelegentlich mit anderen Arten der Gattung Dactylorhiza,
so zum Beispiel mit Dactylorhiza majalis, Dactylorhiza incarnata, Dactylorhiza
maculata und Dactylorhiza fuchsii. Angaben über Hybriden mit Gymnadenia
conopsea, Pseudorchis albida oder Coeloglossum viride sind ebenso zweifelhaft
wie solche mit Arten der Gattung Orchis. Am Mittelmeer kommen zudem
Hybridschwärme mit Dactylorhiza romana vor (Sizilien mit rotblühenden
D. romana, Monte Gargano mit gelbblühenden D. romana).