Dactylorhiza majalis subsp. alpestris | |
---|---|
Höchste Zeit, auch mal einen Vertreter aus der Gruppe des breitblättrigen Knabenkrauts zu besprechen, es müssen ja nicht immer die besonderen Raritäten sein, die Aufmerksamkeit verdienen. Wir haben uns zum Jahresbeginn 2013 für die alpine Form entschieden, wobei die Unterschiede zur Normalform tieferer Lagen unserer Meinung nach eher marginal sind. Vor allem in den Übergangsbereichen ist es eigentlich nicht möglich, beide Sippen eindeutig zu unterscheiden. Allen Breitblättrigen Knabenkräutern gemein sind die auffällig stark punktierten bzw. gefleckten Blätter, die für ein Knabenkraut zudem recht breit ausgeprägt sind. So kann man das Breitblättrige Knabenkraut schon im sterilen Zustand recht gut von Dactylorhiza fuchsii oder Dactylorhiza maculata unterscheiden, mit der sie gar nicht selten zusammen vorkommt. Letztere haben zwar auch mehr oder weniger stark gefleckte Blätter, die Blätter sind aber viel schmäler und auch länger. Sie - und nicht etwa unsere Orchidee des Monats - heißen im Volksmund Gefleckte Knabenkräuter, ganz schön verwirrend, gell? Apropos Volksmund: Im Volksglauben konnte die Wurzel des Breitblättrigen Knabenkrauts am Mittag des Johannistages kranke Körperteile durch Berührung heilen. Wenn's nur so einfach wäre! Die Blüten sind ohne Zweifel sehr attraktiv. Da die breitblättrigen Knabenkräuter - wie viele ihrer Verwandten auch - an zusagenden Standorten Massenbestände bilden können, sind sie eigentlich nicht zu übersehen. Es ist nicht nur für uns Orchideenfreunde ein erhabener Anblick, wenn man vor einer alpinen Feuchtwiese mit Tausenden blühender Knabenkräuter steht. Der Kontrast zwischen dem intensiven Grün der Wiese und dem leuchtenden Violett der Knabenkrautblüten ist einfach entzückend. Der Form halber sei noch das wichtigste Unterscheidungsmerk zur Subspezies majalis erwähnt: So sollen die Blütenlippen bei der Subspezies alpestris deutlich größer und weniger tief dreiteilig sein, d.h. die Seitenlappen sind viel breiter und der Mittellappen kleiner als bei der Subspezies majalis. Nur, wie gesagt, das muss man im Gelände erst mal verifizieren. Zumindest für unsere Abbildungen links trifft es allerdings zu. Das Verbreitungsgebiet der alpinen Form beschränkt sich auf die Alpen. Ob sie auch in den Pyrenäen vorkommt ist nach wie vor umstritten, wobei man zugestehen muss, dass insbesondere an den Rändern des Verbreitungsgebiets Verwechslungen mit anderen ähnlichen Taxa möglich sind. Die Geschichte des Breitblättrigen Knabenkrauts ist sehr wechselvoll, was insbesondere daran liegt, dass die Ursprungsform "majalis" bereits 1772 beschrieben wurde. Oder 1828. Je nachdem, ob man die von Scopoli 1772 beschriebenen Pflanzen zu „majalis“ oder zu „praetermissa“ stellt, was umstritten ist. Die Subspezies alpestris jedenfalls wurde „erst“ 1935 im Artrang beschrieben. Die Tatsache, dass sich beide Subspezies im Kontaktgebiet überlagern und offensichtlich ausgedehnte Übergangsbestände bilden, spricht allerdings gegen einen Artrang und für eine Unterart. Man könnte sich sogar der Meinung einiger Kollegen anschließen, die dieses Taxon lediglich als Varietät von Dactylorhiza majalis betrachten. Wie dem auch sei, wir nehmen mal den Rang einer Subspezies, wohlwissentlich, dass die Unterschiede unspektakulär sind. Die Breitblättrigen Knabenkräuter mögen es feucht, sehr feucht sogar. Im Gegensatz zur Subspezies majalis kommt das Alpen-Knabenkraut jedoch erst ab rund 1.500 Meter Meereshöhe vor. Beiden gemein ist, dass sie sowohl auf basischen Böden, als auch auf saurer Unterlage wachsen können, was natürlich ein bedeutender Standortsvorteil ist. Bei der alpinen Form sind das also insbesondere Quellmoore und Sumpfwiesen in den Kalkalpen ebenso wie entsprechende Biotope in Urgebirgen aus Granit, Gneis und Schiefer. Schatten mag das Breitblättrige Knabenkraut gar nicht, ebenso wenig eine zu hohe Stickstoffversorgung. Werden Knabenkraut-Wiesen mit Mineraldünger oder Schwemmmist und Gülle behandelt, verschwinden die schönen Blumen nach wenigen Jahren völlig, vor allem in tieferen Lagen ein ernstes Problem. Und dass die Trockenlegung ihrer Biotope bei Knabenkräutern nicht gut ankommt, dürfte selbstverständlich sein. Nicht nur, dass dadurch andere, besserwüchsige Pflanzen die Oberhand gewinnen, führt die Trockenlegung von Nasswiesen wegen der einsetzenden Mineralisation des organischen Materials im Boden zudem zu einem regelrechten Stickstoffschub, den keine Orchidee aushält. Glücklicherweise ist diese Gefahr in den Hochlagen wegen der schwierigen „Meliorationsmöglichkeiten“ eher gering. Der Name "majalis" deutet auf den Monat Mai hin. Das ist für die Tiefland-Unterart zutreffend, denn sie gehört dort zu den Frühblühern in den Nasswiesen. Noch lange bevor viele andere Pflanzen zur Blüte kommen, schiebt das Breitblättrige Knabenkraut dort bereits Ende April seine Blütenstände in die Höhe, wobei erste Blüten oft bereits aufgehen, bevor sich der Blütenstand richtig gestreckt hat. Nicht selten versinken solche Pflanzen nochmals kurzzeitig im Frühlingsschnee. Letzteres passiert natürlich auch der Alpenform, allerdings liegt die Blütezeit wegen der größeren Höhenlage deutlich später. Ab Mitte/Ende Juni trifft man es dort blühend, so dass es auch in den Bergen zu den Frühblühern gehört. Die breitblättrigen Knabenkräuter lieben es nicht nur gesellig, es kommt auch vergleichsweise häufig zu Bastardierungen. Insbesondere mit den Gefleckten Knabenkräutern, aber auch mit Dactylorhiza incarnata subsp. incarnata. Andere Partner, mit denen sich das Alpen-Knabenkraut hier und da einlässt sind Dactylorhiza sambucina und Dactylorhiza traunsteineri subsp. traunsteineri. Selbst Gattungshybriden gibt es sehr selten, zum Beispiel mit Nigritella rhellicani subsp. rhellicani, Coeloglossum viride oder Gymnadenia conopsea. Und auch Albinos oder rosablühende Exemplare kommen hin und wieder vor. All das sind begehrte Highlights für Orchideenfreunde. Einige Beispiele finden Sie in unserem Bildarchiv. Der Chromosomensatz beträgt 2n = 80. | |