Orchis mascula subsp. mascula | |
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Die Jury des AHO hat entschieden, Orchidee des Jahres 2009 wird das Mannsknabenkraut. Grund genug, diese Art auch als Orchidee des Monats etwas näher vorzustellen (http://www.europorchid.de/aho/htms/orchjahr.htm). Sie ist schon lange bekannt. So wurde sie 1753 erstmals beschrieben als Orchis morio subsp. mascula. Und im Kräuterbuch des Leonhardt Fuchs ist die wahrscheinlich älteste Abbildung aus den Jahren zwischen 1535 und 1542 wiedergegeben. Kein Wunder, ist die Pflanze doch mit bis zu 50 (70) cm Höhe und 15 Zentimeter langen Blütenständen sehr stattlich und ist so auch von Nicht-Orchideenkennern nicht zu übersehen. Verwechseln kann man sie allenfalls mit einigen anderen Unterarten, die jedoch meist eigene Areale besiedeln. Orchis mascula subsp. mascula ist eine euozeanische Art und im westlichen und nördlichen Europa verbreitet. Im Süden reicht das Areal bis Nordafrika, im Norden über Irland und England sowie Öland und Gotland bis an die nordwestlichen Küsten Skandinaviens. Der gesamte Westteil Italiens, Griechenland und Bulgarien sind ebenfalls besiedelt. Die östliche Verbreitungsgrenze erstreckt sich über Weißrussland und die Ukraine. In Mitteleuropa kommt bis in Mittelgebirgslagen hinauf ausschließlich die Subspezies mascula vor. Sie ist gekennzeichnet durch leuchtend rot-lila Blüten, stark seitlich zurückgeschlagenen seitliche Sepalen, einen geraden oder nur leicht gebogenen, fast aufrecht nach oben stehenden Sporn und glänzende, meist heller grüne Blätter. Übrigens müssen die Blätter nicht gefleckt sein, es kommen auch ungefleckte Exemplare in derselben Population vor. Auch die Strichzeichnung am Stängel ist nicht bei allen Pflanzen ausgeprägt. Die Blattrosette treibt zwischen Weihnachten und Januar, ja nach Wintertemperaturen. Von der Keimung bis zur ersten Blüte vergehen in der Regel mindestens vier Jahre. Bei uns in Mitteleuropa kommt die Art hauptsächlich in oder am Rand von lichten Wäldern vor, vorzugsweise in Buchenwäldern, aber auch in Eichen-Hainbuchenwäldern und Kiefernwäldern. Besonders gefördert wurde die Art durch die früher weit verbreitete Nieder- und Mittelwaldwirtschaft, die zu relativ lichten Waldstrukturen führte. Sie kommt aber auch voll besonnt in nicht zu trockenen Halbtrockenrasen und Magerwiesen vor, so beispielsweise auf gut Wasser haltenden Muschelkalkböden. Auch in höheren Lagen steht sie zunehmend sonnig, wobei sie dort in die Hochgebirgsform, die Subspezies speciosa (= Prächtiges Knabenkraut) übergeht. Letztere ist gekennzeichnet unter anderem durch immer gefleckte Stängel und Blätter, sowie die "unordentlich" aussehenden Blüten, hervorgerufen durch teilweise extreme Verlängerung und Verdrehung der seitlichen Sepalen. In den Bergen geht sie bis hinauf über 1.800 Meter, in den Südalpen über 3.000 m, je nachdem, ob man die Hochgebirgsform als eigene Unterart akzeptiert oder nicht. Sehr auffällig und schon sehr lange bekannt weiß man relativ viel über Ansprüche und Ökologie dieser Art, unser Bericht kann diesmal deshalb etwas ausführlicher ausfallen. Sie ist zum einen allogam, will heißen, sie wird fremdbestäubt, und zwar durch verschiedene Hummeln und Solitärbienen (Bombus hortorum, B. lapidarius, B. confusus, B terrestris, B. agrorum, B. pratorum, B. campestris, B. muscorum). Der Fruchtansatz liegt zwischen 23 und 48%, für eine fremdbestäubte Art ein durchschnittlicher Wert. Sie ist zum anderen eine sogenannte Täuschblume, sie produziert also keinen Nektar. Interessant übrigens, dass die Art offensichtlich unterschiedliche Geruchsvarianten ausbildet. Die Empfindung für uns Menschen reicht von wohlriechend, nach Holunder duftend bis nach Katzenurin stinkend. Da ist für jeden etwas dabei. Meistens findet man das Stattliche Knabenkraut über Kalk, aber es erträgt auch leicht saure Standorte. Dort ist sie aber eher seltener anzutreffen. Nur die Kombination extrem mager und sauer mag sie gar nicht. Die Blütezeit reicht je nach Höhenlage von Ende März bis Ende Juni. Das Manns-Knabenkraut ist in vielen Regionen noch vergleichsweise häufig anzutreffen. Dennoch sind die Bestände insgesamt rückläufig, was zum eine an der Waldbewirtschaftung hin zu dichteren Wäldern, zum anderen an der Intensivierung oder Nutzungsaufgabe von mageren Grünland liegt. Lokale Beeinträchtigungen gibt es überdies durch das Ausgraben der Knollen zur Salep-Herstellung (vor allem im östlichen Verbreitungsgebiet) und durch die Wühltätigkeit von Wildschweinrotten, für die die frischen Knollen eine Delikatesse sind und die die ganze Wiesen in kürzester Zeit regelrecht verwüsten können. Albinos kommen immer wieder mal vor. Sie haben ungefleckte Blätter und reinweiße Blüten, manchmal aber sind nur die Papillen auf der Blütenlippe rot gefärbt, was besonders reizend aussieht. Auch Hybriden sind in einigen Gegenden mit einigen Arten immer wieder zu finden. Dies gilt beispielsweise für Orchis pallens, mit denen sie, zum Beispiel in Deutschland und Frankreich, bei gleichzeitigem Vorkommen ganze Hybridschwärme bilden kann mit sehr aparten Farb- und Lippenmuster-Kombinationen. In Frankreich gilt dies auch für Orchis provincialis, deren Hybriden meist schon von weitem durch ihre leuchtend rote Farbe des Blütenstandes auffallen. Gerade Hybriden zwischen gelb- und rotblühenden Knabenkräutern sind eine Augenweide und wegen der vielen möglichen Zwischentöne meist Anlass von Fotografierexzessen. Fast noch beeindruckender sind Hybriden zwischen dem Manns-Knabenkraut und Orchis pauciflora, die ebenfalls dichte Schwärme bilden können, so zum Beispiel in den Monte Sibellini in Italien. Sie sind so auffallend und vergleichsweise häufig, dass sie mit Orchis x colemannii sogar einen gebräuchlichen eigenen Namen tragen (siehe Foto). Weitere Hybriden sind bekannt mit Orchis patens und Orchis spitzelii. Hybriden mit Orchis morio sind fraglich, nicht zuletzt auch wegen der neueren Erkenntnisse über die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Gattungen Anacamptis, Orchis und Neotinea. Und auch Hybriden mit Vertretern der Gattung Dactylorhiza (z.B. Dactylorhiza sambucina) sind sehr zweifelhaft. In unserem Bildarchiv finden sie genügend Beispiele für Hybriden und Hybridschwärme, ein Blick lohnt sich. Der Chromosomensatz beträgt 2n=42. | |