Orchis mascula subsp. ichnusae

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Sardinien (I), 17. April 2010


Für diesen Monat ist wieder ein Ausflug ins Reich der Knabenkräuter dran. Größere nomenklatorische oder systematische Probleme gibt es diesmal mit dem sardischen Vertreter der Orchis mascula-Gruppe nicht. Es handelt es sich um ein Taxon, das in seiner Geschichte vergleichsweise wenige Umbenennungen über sich ergehen lassen musste. Nachdem es 1982 als im Vergleich zur Subspezies mascula heller- und kleinblütigere Unterart von Orchis mascula beschrieben wurde, tauchte 1986 der Name Orchis olbiensis subsp. ichnusae auf. Das ist nicht mal sehr abwegig, denn die Art ähnelt tatsächlich stark dem südfranzösischen Knabenkraut. Die belgischen Kollegen erhoben die Unterart dann 1991 als Orchis ichnusae in den Artrang. Auf Grund der vergleichsweise geringen Unterschiede zur Subspezies mascula und nachdem auch das Taxon "olbiensis" besser als Unterart von Orchis mascula untergebracht ist, halten wir den Rang einer Unterart auch für das sardische Knabenkraut für angemessen. Übrigens: "ichnusae" ist eine ganz gute Bezeichnung für diesen sardischen Endemiten. Ichnusa nannten nämlich die Euböer einst die Insel Sardinien, was übersetzt so viel wie "Fußabdruck" heißt, eine Anspielung an die Umrisse der nach Sizilien zweitgrößten Insel im Mittelmeer.

Das zentral-mediterrane Florenelement ist sehr heimatverbunden und hat es bislang nicht auf eine der Nachbarinseln oder das italienische Festland geschafft. Angaben über Vorkommen auf Korsika können wir nicht verifizieren. Die allogame Nektartäuschblume wächst insbesondere in lichten Wäldern, am Rande oder zwischen Gebüschen und in der Phrygana und damit vollsonnig bis halbschattig. Sie bildet an zusagenden Standorten auch mal größere, aber eher lockere Bestände. In Meeresnähe sucht man sie vergeblich, ihr vertikales Verbreitungsgebiet beginnt bei 300 Metern und steigt im Gennargentu-Massiv und in den Bergen bei Iglesias bis hinauf auf 1.500 Höhenmeter. Wir fanden schöne Bestände nördlich Domusnovas, am Monte Alba und um Laconi. Die Böden sind frisch und basenreich, müssen aber nicht kalkreich sein, sonst dürfte das attraktive Taxon in den Iglesias-Bergen nicht vorkommen. Die Blütezeit reicht von April bis Mai, je nach Höhenlage, Exposition und Beschattung.

Albinos oder heller gefärbte Exemplare kommen gelegentlich vor. Mögliche Hybridpartner sind auf Sardinien rar. Gelegentlich kommt sie gemeinsam mit Orchis provincialis vor. So ist es nicht verwunderlich, dass gar nicht so selten Hybriden zwischen diesen beiden Taxa beobachtet werden. Ihre Blütenlippen sind im Zentrum gelb, manchmal aber auch hellfarbig ohne gelben Teint. Am besten kann man sie an den Blättern erkennen. Während Orchis provincialis so gut wie immer eine stark ausgeprägte Fleckung aufweist, sind die Blätter von Orchis mascula subsp. ichnusae fast immer ungefleckt. Und die Hybriden? Richtig, deren Blätter sind mehr oder weniger angedeutet gefleckt. Gute Beispiele finden Sie in unserem Bildarchiv.

Übrigens: Fast immer steht die Art vergesellschaftet mit Orchis morio subsp. longicornu, der vermutlich häufigsten Orchidee Sardiniens. Da kann man sich zu Recht fragen, wieso es denn da keine Hybriden gibt, wohl aber mit der viel selteneren Orchis provincialis. Aus unserer Sicht kann man dies als einen Beleg für den Vorschlag von Kretzschmar, Eccarius und Dietrich werten, wonach Orchis mascula mit seinen Unterarten zusammen mit Orchis provincialis zur Gattung Orchis (Untergattung Masculae) zählt, Orchis morio mit seinen Unterarten aber zur Gattung Anacamptis, so dass der Name Anacamptis morio subsp. longicornu lauten müsste. Und Hybriden zwischen verschiedenen Gattungen sind selten oder aus genetischen Gründen auch kaum möglich. Aber als aufmerksame Besucher unserer Seite wissen Sie natürlich, dass bei Orchideen (fast) nichts unmöglich ist. Sie sind die "Toyotas" unter den Blumen.

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Sardinien (I), 21. April 2010


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Sardinien (I), 17. April 2010


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Sardinien (I), 20. April 2010


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Sardinien (I), 21. April 2010