Ophrys delphinensis
O. Danesch & E. Danesch, 1963

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Diakopto, 21. April 2011


Kehren wir wieder zurück zur interessanten und ungemein vielfältigen Gattung Ragwurz. Wenn Sie die Entwicklung unserer Seite verfolgt haben, dann wissen Sie, dass in den ersten Jahren die Hybridisierung im Vordergrund stand. Das ist für uns gewissermaßen das i-Tüpfelchen beim faszinierenden Kapitel der Orchideen. Mittlerweile sind rund 500 verschiedene Kombinationen in unserm Archiv zu bewundern, das kann sich ohne Übertreibung sehen lassen. Und das sind längst nicht alle, denn gerade bei der Gattung Ophrys scheinen eigentlich alle Kombinationen möglich zu sein. Wie an anderer Stelle auf unserer Seite nachzulesen sind es in der Regel Einzelfunde oder allenfalls kleinere Hybridpopulationen, über deren Entdeckung sich die Orchideenliebhaber freuen wie kleine Kinder über einen Lego-Baukasten oder Jedi-Ritter(die Autoren eingeschlossen).

In seltenen Fällen können solche spontan entstandenen Kreuzungen allerdings ein Eigenleben entwickeln. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn sie die günstigen Eigenschaften beider Eltern vereinen und deshalb sehr robust sind. Oder aber sie bringen neue, für bestimmte Nischen günstige Voraussetzungen mit. Sind sie dann noch fertil und finden einen Bestäuber, der sie attraktiv findet, können sich im Laufe der Jahrzehnte ansehnliche Populationen entwickeln. In Anbetracht der Leichtigkeit der Samen können sie dann auch größere Distanzen überwinden und das Verbreitungsgebiet vergrößern, so dass sich irgendwann die Frage stellt, ob man es nicht mittlerweile mit einem eigenständigen Taxon zu tun hat.

In vielen Fällen kann man über die Entstehung von bestimmten Arten nur mutmaßen. Dies gilt zum Beispiel für die jüngst als eigen Art beschriebene Ophrys antiochiana, die es in einer Population von rund 50 Exemplaren ausschließlich auf einem kleinen Friedhof in der Türkei zu geben scheint. über die Entstehung dieser "Art" wird heftig diskutiert, aber letztlich sind die Eltern unbekannt. In einigen Fällen aber scheint die Entstehungsgeschichte gut nachvollziehbar zu sein. So ist das auch bei unserem heutigen Kandidaten, der Delphi-Ragwurz. Zugegebenermaßen ist es auch nicht schwer, die möglichen Eltern zu erkennen, wenn man sich die Morphologie dieses Taxons ansieht. Vor allem individuenreichere Bestände decken die gesamte Bandbreite im Erscheinungsbild zwischen den Eltern ab, von Exemplaren, die gerade mitten drin liegen (50:50-Hybriden) bis hin zu 90%-Dominanz der jeweiligen Eltern (90:10-Hybriden).

In unserem Falle geht die Bandbreite des Erscheinungsbildes von Ophrys argolica bis hin zu Ophrys oestrifera. Im übrigen ist gerade die hohe morphologische Variabilität der Blüten ein Hinweis auf eine hybridogene Entstehung. Wie immer hat auch dieser Vorteil seinen "Nachteil": Man kann gar nicht aufhören zu fotografieren, jedes Exemplar sieht irgendwie anders aus. Schaut mal nach in unserem Bildarchiv, das wir mit einer ganzen Reihe von Fotos zu dieser Art ergänzt haben. Scrollen Sie dort mal die Leiste in der Mitte nach oben und unten und vergleichen Sie zu den Eltern, sie werden staunen und letztlich das oben gesagte bestätigt finden.

Auch wenn Ophrys delphinensis ein vergleichsweise kleines Verbreitungsgebiet hat, so ist doch insbesondere anhand der Individuenstärken der Artstatus gerechtfertigt. Apropos Vorkommen: Ophrys delphinensis kommt - wie der Name schon vermuten lässt - beispielsweise in der Umgebung des antiken Delphi vor. Hauptverbreitungsgebiet ist die Umgebung des Kanals von Korinth. Größere Bestände - wenn man bei dieser seltenen Art überhaupt davon reden kann - wachsen an den Nordhängen des Küstengebirges des im nördlichen Peloponnes. Das ostmediterrane Florenelement braucht nicht unbedingt Kalkboden, wohl aber kalkhaltigen Boden und einen sonnigen bis halbschattigen Standort. Den findet sie beispielsweise an Böschungen, in Magerrasen, in lückiger Macchie aber auch in lückigen Kiefernwäldern. Die höchsten Fundorte befinden sich auf 1.100 Meter über dem Meer, die Hauptblütezeit liegt in der zweiten Aprilhälfte.

Häufig ist sie in den Vorkommensgebieten allerdings nirgends. Neben Einzelexemplaren konnten wir bei unserer Griechenlandexkursion im April 2011 im nördlichen Peloponnes auf einem grasigen, abgerutschten Hang einen Bestand von immerhin 200 Exemplaren entdecken. Hier war ein Studium besonders gut möglich und der hybridogene Charakter gut sichtbar. An anderen Standorten mit Vorkommen beider Elternarten, wo wir nur wenige Exemplare fanden, konnte indes nicht feststellt werden, ob es sich um spontane Primärhybriden oder schon um die "echte" Ophrys delphinensis handelt. Und auch Hybriden der Delphi-Ragwurz mit anderen Ragwurzarten sind meist problematisch, weil man letztlich nicht zweifelsfrei sagen kann, ob Ophrys delphinensis, Ophrys argolica oder Ophrys oestrifera als Elter in Frage kommt.

Neben Hybriden gibt es natürlich auch bei der Delphi-Ragwurz Albinos. Sie sind wegen der Seltenheit des Taxons natürlich extreme Raritäten. Bei unserem Besuch im April 2011 fanden wir zu unserer großen Freude ein Exemplar mit weißem Perigon und wenig Zeichnung und Farbe auf der Lippe, kein "reiner" Albino, aber dennoch ein echtes Highlight für Orchideefreaks, das Sie in unserem Archiv bestaunen können. Bestäubt wird die Art von Anthophora plagiata, was übrigens auch ganz gut zur Hybridtheorie passt, denn diese Hymenoptere bestäubt auch Ophrys argolica.

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Diakopto, 21. April 2011


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Diakopto, 21. April 2011