Ophrys tenthredinifera subsp. spectabilis
Kreutz und Zelesny 2007

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Mallorca (E), 17. April 2006


Heute geht es um eine Sippe, die erst eben von Kreutz und Zelesny gültig beschrieben wurde. Dies ist deshalb erstaunlich, weil man meinen sollte, dass Mallorca mittlerweile ausgiebig nach Orchideen abgesucht wurde. Bereits vor 10 Jahren hatten wir diese auffälligen Pflanzen gefunden und mit wie wir meinen aussagekräftigen Vergleichsfotos ins Internet gestellt. Offensichtlich hat sich bisher jedoch niemand die Mühe gemacht, dieses "Phänomen" näher zu beleuchten. Grund genug, es an dieser Stelle nochmals aufzugreifen, zumal wir die Pflanzen im Jahr 2006 nochmals bestätigen konnten, wenn gleich der Bestand infolge weiterer Sukzession hin zum Wald deutlich abgenommen hat. Die offizielle Beschreibung dieses Taxons ist mittlerweile erfolgt: Ber.Arbeitskrs.Heim.Orchid. 24(1): 77-141, 2007.

Viel ist nicht zu sagen über dieses Taxon. Bislang haben wir es nur an einer Stelle im Südwesten der Serra de Tramuntana in rund 350 Meter Höhe gefunden, vergesellschaftet mit Serapias parviflora, Ophrys fusca subsp. bilunulata, Neotinea maculata, Ophrys incubacea subsp. incubacea, Anacamptis pyramidalis und eben auch der „normalen“ Ophrys tenthredinifera subsp. tenthredinifera. Da wir jedoch nicht systematisch gesucht haben und die Insel auch nur zweimal je eine Woche besucht haben, ist zu vermuten, dass es auch an anderen Stellen noch mehr oder weniger kleine Bestände gibt, die bislang offensichtlich noch niemandem aufgefallen sind. Mittlerweile sind drei weitere Fundorte bekannt geworden.

Die Sippe unterscheidet sich signifikant von der am Fundort ebenfalls vorkommenden Nominatform, was die Bilder links und auch weitere in unserem Bildarchiv eindrucksvoll belegen. Schon 1996 hatten wir eine Vergleichsanalyse gemacht, die links wiedergegeben wird. Auffällig sind bei der großblütigen Form die in allen Teilen größeren Blüten, insbesondere die breite Schulter, die grüne Basis der Narbenhöhle und ein deutlich ausgeprägter Querbalken im oberen Drittel der Narbenhöhle. Auch die Blütezeit ist unterschiedlich. Während die großblütige Art am selben Standort erst am Blühbeginn steht und noch eine grüne Blattrosette besitzt, ist die kleinblütige Form schon in Hochblüte, vereinzelt auch schon am Verblühen, die Blätter weitgehend verdorrt, siehe Foto.

Während man sich mit anderen Komplexen in der Gattung Ophrys bereits vor Jahren intensiver auseinandersetzte, z.B. beim Formkreis "pseudobertolonii", war Ophrys tenthredinifera schlicht die Wespe, basta. Dann haben sich Kollegen der unterschiedlichen Ausprägungen angenommen und verschiedene Sippen und Varianten beschrieben. Ob dies alles nachvollziehbar ist, mag dahingestellt sein. In diesem Fall jedoch sind wir schon der Meinung, dass es sich um etwas Eigenständiges handelt. Wir wollen an dieser Stelle aus unserem Reisebericht 2006 zitieren; den vollständigen Bericht finden sie übrigens auf unserer Webseite unter der Rubrik "Exkursionsberichte":

……. Lassen Sie uns mal Ophrys tenthredinifera ein bisschen beleuchten: So wie ich das sehe, sind die Verhältnisse bei dieser Art auf Mallorca noch nicht eindeutig geklärt. Relativ klar dürfte sein, dass die "normalen" Wespen, die bei unserm Besuch weitgehend verblüht sind, zu Ophrys tenthredinifera. bzw. Ophrys tenthredinifera ssp. tenthredinifera gehören. Sie fallen nicht weiter auf, sind eben ganz gewöhnliche Wespen. Aber die großblütigen? Delforge gibt Ophrys tenthredinifera ssp. ficalhoana mit Fragezeichen auch für die Balearen an und vermerkt dazu, dass die Verwandtschaftsbeziehungen der Pflanzen auf den Balearen mit den Populationen auf dem spanischen Festland noch zu prüfen wären.... Das denken wir auch.

Von der Beschreibung der Pflanzen würde es passen. Die Blüten der ssp. ficalhoana sind nach Delforge verhältnismäßig groß (13-21 x 16-23 mm), auffallend farbintensiv und die Narbenhöhle der abgebildeten Pflanzen mit dem ausgeprägten Querstrich würden auch stimmen. Außerdem gehört die ssp. ficalhoana zu den später blühenden Sippen. Bloß: Wir haben die ssp. ficalhoana in Spanien gesehen. Dort blühte sie in etwas tieferer Lage erst Anfang Juni, außerdem waren die Blüten längst nicht so groß und die Pflanzen im Wuchs wesentlich lockerer. Können da die Pflanzen auf Mallorca, die offensichtlich schon Mitte April weitgehend verblüht sind, dasselbe sein? Zweifel sind angebracht. Die beispielsweise auf Korsika vorkommende ssp. aprilia kann es dagegen kaum sein, denn deren auffälligstes Merkmal ist der sehr frühe Blühzeitpunkt. Und was ist mit der ssp. grandiflora? Sie gibt’s nur in Kalabrien und Sizilien. Sie blüht früh und hat immer einen breiten gelben Rand. Das passt eben nur zum Teil. Sie sehen, es gibt also durchaus noch Rätsel zu lösen……

Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass bei diesem Größenunterschied beide Sippen denselben Bestäuber haben, so dass wir davon ausgehen, dass sogar der Artrang gerechtfertigt ist. Dies für diejenigen Kollegen, die bei der Namensgebung ausschließlich den populationsbiologischen Ansatz verfolgen, was wir nicht für gerechtfertigt halten. Ohne morphologische Aspekte ist ein Artdifferenzierungssystem unserer Meinung nach nicht machbar. Ganz abgesehen davon kann man im Gelände nicht mit einem Sack voll potentiellen Bestäubern herumlaufen, um eine eindeutige Artbestimmung durchführen zu können. Wir führen die Sippe bei orchis.de als "Ophrys tenthredinifera subsp. spectabilis" in Anspielung an diese unübersehbare Schönheit und entsprechend der formalen Neubeschreibung (s.o.).

Bereits vor 10 Jahren, als wie diese Sippe zum ersten Mal sahen, konnten wir zu unserer Freude gleich einige Hybriden mit Ophrys balearica entdecken. Bilder davon finden Sie im Bildarchiv. Da die Blüten relativ groß waren, gehen wir davon aus, dass die neue Sippe und nicht die Nominatform an der Hybridisierung beteiligt war, was übrigens unserer Meinung nach kein eindeutiger Beleg gegen einen Artstatus wäre. Es gibt genügend andere belegte Beispiele von Kreuzungen zwischen groß- und kleinblütigen Arten. Weitere Hybriden sind sicher denkbar, aber wegen des wahrscheinlich kleinen Verbreitungsgebiets kaum zu erwarten. Apropos kleines Verbreitungsgebiet: Deswegen und wegen der zunehmenden Bewaldung des Locus classicus muss man die Art bereits jetzt als akut vom Aussterben bedroht betrachten, kaum dass sie richtig wahrgenommen wurde. Vom tropischen Regenwald kennt man das ja, schlimm genug. Dass so was aber auch in Mitteleuropa, in einem Mitgliedsstaat der EU vorkommt, ist schon sehr beunruhigend.

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Mallorca (E), April 1996


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Mallorca (E), 17. April 2006


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Mallorca (E), 17. April 2006


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Mallorca (E), 17. April 2006


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Vergleich subsp. spectabilis und subsp. tenthredinifera