Ophrys holoserica subsp. paolina
Virgilio Liverani und Rolando Romolini

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Sanicandro (I), 26. April 2012


Nachdem wir im letzten Monat mit dem Italienischen Knabenkraut einen alten Bekannten zur Orchidee des Monats gekürt haben, ist diesmal wieder ein Frischling an der Reihe, erst im Dezember 2010 beschrieben im Journal Europäischer Orchideen 42(3/4). Es ist mit Ophrys holoserica subsp. paolina eines der vielen Taxa aus dem Formenkreis der Hummelragwurz, die sich immer noch kontinuierlich vermehren. Auch bei den Hummeln kommt man langsam zur Erkenntnis, dass es sich möglicherweise in vielen Fällen schlicht um lokale Sippen oder Rassen handelt, zumal die Beschreibungen oft etwas beschönigend bestimmte charakteristische Merkmale hervorheben, die man dann im Gelände so nur bei Einzelpflanzen findet. Die Variabilität innerhalb der Bestände ist eben oft größer als signifikante Artunterschiede.

Paolo’s Hummelragwurz wurde von den beiden Beschreibern Virgilio Liverani und Rolando Romolini ihrem Kollegen Paolo Liverani gewidmet. Zu diesem Verfahren der Namensgebung kann man stehen wie man will. Wir hätten hier, wie auch in vielen anderen Fällen, eine entpersonifizierte Bezeichnung besser gefunden, die beispielsweise auf das Gebiet hinweist, wo die Art gefunden wurde. Das wäre in diesem Falle der nördlich Monte Gargano in Apulien. Das Taxon ist damit ein extremer Kleinstendemit, was bei der Diskussion um neue Arten oder Unterarten eigentlich eine wichtige Rolle spielen sollte. Da gerade der Monte Gargano floristisch und insbesondere auch orchideenmäßig zu den meisterforschten Gegenden am Mittelmeer überhaupt zählt, erstaunt es umso mehr, dass diese Art erst jetzt einen Namen erhält. Anders gesagt dürfte es so sein, dass dieses Taxon zuvor schon eine ganze Reihe von Orchideenfreunden gesehen hatten und schlicht als Hummel s.l. in die Listen schrieben.

Wir konnten dieses Jahr den Bestand bei Sanicandro am 26. April selbst in Augenschein nehmen, wobei wir ziemliches Glück hatten, denn wir waren mit dem Standort noch nicht ganz fertig, da fiel eine gemischte Herde aus Rindern und Ziegen über die bunten Blumen her. Sie können sich denken, was dann noch übrig bleibt.

Dabei hatten wir eigentlich befürchtet, dass wir nichts finden werden, denn nach der Beschreibung soll das Taxon dort von Mai bis Juni blühen, ein Hauptunterscheidungsmerkmal zu anderen dort vorkommenden Sippen. Hinzu kommt, dass die Vegetation am Monte Gargano in diesem Jahr gerade an der Nordseite offensichtlich wegen des Kälteeinbruchs im Februar doch deutlich im Verzug war. Umso überraschter waren wir, als wir am Fundort an die 50 Exemplare fanden, die bereits eine oder zwei bis drei Blüten geöffnet hatten. Der Standort befindet sich in Nordlage und ist damit sowieso später dran, und nicht weit weg davon steht Ophrys holoserica subsp. apulica in Blüte. Damit kann von einem deutlich späteren Blühtermin als andere Sippen unserer Meinung nach nicht gesprochen werden, es sei denn, wir haben das „richtige“ Taxon noch gar nicht erwischt und stattdessen eine Übergangspopulation oder gar eine andere Sippe, was wir jedoch für eher unwahrscheinlich halten.

Was die Morphologie betrifft, so müssen wir den Beschreibern allerdings recht geben. Die Population passt weder zu einer normalen Hummel (hat kleinere Blüten mit weniger ausladender Lippe), noch zur Apulischen Ragwurz (hat größere und vor allem stark gewölbte Blüten). Und weitere Taxa, die hier vorkommen können, sind sowieso von dieser Sippe verschieden. Auch wenn wir nicht hundertprozentig vom eigenen Status dieser Sippe überzeugt sind, führen wir sie mal als eigenständig im Rang einer Subspezies. Auch hier gilt, wie generell auf unserer Seite: Es ist unsere Meinung, jeder kann sich selbst ein Urteil bilden. Weitere Bilder dieses Taxons finden Sie übrigens in unserem Bildarchiv.

Wie alle anderen Vertreter der Gattung Ragwurz kann auch Paolo’s Ragwurz bastardieren. Da diese Unterart allerdings noch sehr jung ist, sind uns Bastarde bislang nicht bekannt geworden. Sie können sich denken, dass unsere Freude groß war, gleich bei unserem ersten Besuch ein Exemplar der Hybride mit Ophrys tenthredinifera subsp. neglecta zu entdecken. Bei zwei weitere Pflanzen unweit eines kleinen Bestands an Ophrys holoserica subsp. parvimaculata (am Blühbeginn!!) vermuten wir außerdem eine Hybride zwischen diesen beiden Taxa. Sie können sich in unserem Bildarchiv selbst ein Bild davon machen. Mehr gibt es zu diesem Taxon eigentlich nicht zu sagen.

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Sanicandro (I), 26. April 2012


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Sanicandro (I), 26. April 2012


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Sanicandro (I), 26. April 2012