Barlia robertiana
Parlatore 1858

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Languedoc, April 1985


Wir bleiben bei den Frühblühern. Nachdem im letzten Monat die ganz junge März-Ragwurz behandelt wurde, ist diesmal eine Art dran, die schon seit langer Zeit bekannt ist. Beschrieben wurde sie bereits 1858 von Parlatore, der sie einem befreundeten Botaniker namens Jean-Baptiste Barla widmete. Und der artbezeichnende Teil "robertiana" hat nicht etwa etwas mit dem Vornamen Robert zu tun, sondern erinnert an den französischen Botaniker Gaspard Nicolas Robert.

Der deutsche Name "Mastorchis" klingt zwar fast etwas abschreckend, ist bei ferner Betrachtung aber gar nicht so falsch gewählt. Die Art ist nämlich meist von stattlichem Wuchs (bis zu 80 Zentimetern Höhe); der Blütenstand ist groß und dicht und auch die Einzelblüten sind mit bis zu 2 Zentimeter Lippenlänge für eine europäische Orchideenart verhältnismäßig groß. Auch die meist hellergrünen, glänzenden, bis 10 cm breiten und 30 cm langen Blätter kann man schon als mastig bezeichnen. Dennoch handelt es sich um eine besonders schöne Orchideenart, was wie so oft insbesondere bei näherer Betrachtung deutlich wird. Die Aufnahme links, bei der der Autor alle zur Verfügung stehenden Vergrößerungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, zeigt dies besonders eíndrücklich. Übrigens: Die Stiele der Pollinien haben eine gemeinsame, von der Bursicula umgebene Klebscheibe.

Ansonsten wäre zur Namensgebung noch anzumerken, dass sich nach vielen Jahren mit dem gültigen Namen Barlia robertiana die Systematiker jüngst bemüßigt sahen, einen neuen Namen zu vergeben. Demnach soll Himantoglossum robertianum jetzt der gültige Namen sein. Neben Roberts Mastorchis ist übrigens auch die Bartorchis Comperia comperiana, eine wunderschöne Kostbarkeit des östlichen Mittelmeerraumes zu Himantoglossum comperianum mutiert. Wir möchten noch etwas abwarten, ob sich die neue Nomenklatur, von der auch noch andere Gattungen betroffen sind, durchsetzen wird. Auf unserer Homepage jedenfalls wäre die Umbenennung in wenigen Sekunden erledigt mit dem Befehl: Ersetze überall "Barlia robertiana" durch "Himantoglossum robertiana". Das ist einer der unbestreitbaren Vorteile der elektronischen Datenverarbeitung. Aber wie gesagt: Vorläufig bleiben wir beim gebräuchlichen Namen Barlia robertiana.

Jedenfalls ist die Art unverwechselbar und sehr gut ansprechbar, was neben dem charakteristische Aussehen auch daran liegt, dass sie in ihrem Verbreitungsgebiet keine direkte Verwandte hat, mit der sie verwechselt werden könnte. Lediglich auf den Kanarischen Inseln lebt eine nahe verwandte Art mit Namen Barlia metlesicsiana - oder Himantoglossum metlesicsianum, ganz wie sie wünschen. Im Gegensatz zu Barlia robertiana, die im Mittelmeergebiet weit verbreitet ist und eigentlich nur in der Levante und im nördlichen Adriagebiet fehlt, ist Barlia metlesicsiana extrem selten und wahrscheinlich sogar vom Aussterben bedroht. Würde man allerdings der neuen Nomenklatur folgen, hätte Roberts Mastorchis plötzlich einige weitere Geschwister bekommen. Ob sie das allerdings beeindruckt, ist fraglich. Meist ist sie schon von weitem zu erkennen, denn die auffälligen Blütenkerzen ragen deutlich über die Begleitvegetation hinaus. Und dennoch werden sie nur selten vom Vieh gefressen, vermutlich schmecken sie nicht sonderlich gut.

Roberts Mastorchis wächst in den verschiedensten Biotopen, neben lichten Wäldern, Macchien und Garriguen vor allem in Magerrasen und auch gerne am Straßenrand oder an einer Straßenböschung, wo der Boden verdichtet und feuchter ist. Auch extensive Bewirtschaftung scheint die Art zu fördern. So findet man sie nicht selten in entsprechenden Olivenhainen oder, wie im Bild links, in Obstkulturen. Sie bevorzugt frische bis trockene, basenreiche Böden, auf sauren Substraten ist sie sehr selten. Bevorzugt besiedelt sie die planare Stufe, aber auch noch bis hinauf in 800 Metern Meereshöhe kann man sie gelegentlich finden. In einigen Veröffentlichungen wird gar eine Höhengrenze von fast sagenhaften 1.700 Metern angegeben!

Barlia robertiana blüht erstaunlich früh. Oft kann man am Mittelmeer bereits im Januar erste aufblühende Exemplare finden. Die Hautblütezeit liegt jedoch im März. Die einzelnen Blüten bleiben vergleichsweise lange ansehnlich, so dass man auch im April durchaus noch schön blühende Exemplare finden kann. Meist tritt die Art einzeln oder in kleineren Gruppen auf. Sehr dichte und dann auch eindrucksvolle Bestände, wie beispielsweise auf der Standortaufnahme links, sind eher die Ausnahme. Übrigens gehört Roberts Mastorchis zu den Orchideenarten, die sich in jüngster Zeit ziemlich stark ausgebreitet hat. In Frankreich beispielsweise war sie lange Zeit wegen ihrer Seltenheit streng geschützt. Heute dagegen gibt es dort fast keinen geeigneten Lebensraum, wo nicht wenigstens einige wenige Exemplare stehen.

Bislang sind keine Hybriden mit Barlia robertiana bekannt geworden. Da sie in ihrem Verbreitungsgebiet keine unmittelbare Verwandte hat und deshalb auch nur ein intergenerischer Bastard in Betracht käme, und auch wegen des sehr frühen Blühzeitpunkts ist dies nicht weiter verwunderlich. Vereinzelte Meldungen über Hybriden sind mehr als zweifelhaft. Dafür sind manchmal sehr hellblütige Exemplare zu finden, wie auf dem Bild links zu sehen ist. Exemplare mit vollständig fehlendem roten Blütenfarbstoff sind dagegen sehr selten. Die Chromosomenzahl ist 2n = 36.

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Marseille, 12.3.2002


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Marseille, 12.3.2002


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Marseille, 12.3.2002


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Marseille, 12.3.2002