Liparis loeselii
(Linné) L.C.M. Richard 1817

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Oberschwaben, Juli 1986


Das Torf-Glanzkraut ist ein besonders kostbares und empfindliches Juwel unserer heimischen Flora mit ganz spezifischen Ansprüchen. Weltweit gibt es rund 300 verschiedene Liparis-Arten. In Europa dagegen kommt mit Liparis loeselii nur eine einzige vor. Während die Art in weiten Teilen Nord- und Mitteldeutschlands fast völlig fehlt, kommt sie in den mooreichen Gegenden Süddeutschlands hier und da noch vor. Insgesamt gesehen ist sie aber sehr selten und tritt an ihren Standorten meist auch nicht in größeren Beständen auf. Im Oberrheingebiet, wo die Art früher regelmäßig auftrat, ist sie weitgehend erloschen. Innerhalb Deutschlands tragen Baden-Württemberg und Bayern eine besondere Verantwortung für das Torf-Glanzkraut. Ansonsten ist die Art zirkumpolar verbreitet (eurosibirisch-nordamerikanisches Vorkommen).

Die Art blüht meist in der ersten Junihälfte. Dabei schwankt die Zahl der blühenden Pflanzen von Jahr zu Jahr sehr stark, was vermutlich auch an den wechselnden Standortbedingungen liegt. Sind Witterung und in Folge auch der Boden-Wasserhaushalt ungünstig, kann die Blüte auch einmal ganz ausfallen. Die Reifung der Samen dauert bei dieser Art ungewöhnlich lang. Erst im März ist sie abgeschlossen, so dass auch erst dann die Moorflächen gemäht werden sollten. Als Höhenverbreitungsgrenze werden 800 Meter angegeben. Der Gattungsname "Liparis" leitet sich übrigens von den Blättern ab. Liparos bedeutet nämlich "glänzend". Und der Artzusatz "loeselii" erinnert an den deutschen Mediziner und Botaniker J. Loesel.

Die Art wächst vorwiegend auf nassen, schwach sauren bis schwach basischen, meist kalkreichen Torfböden. Diese Eigenschaften treffen bei uns vor allem auf die kalkreichen Flach- und Zwischenmoore zu. Dies sind Biotope, in denen neben dem Torf-Glanzkraut auch noch eine Vielzahl anderer seltener Pflanzen- und Tierarten vorkommen. Kaum eine Biozönose ist artenreicher zusammengesetzt als die Niedermoore. Die Hauptvorkommen des Torf-Glanzkrautes liegen im Mehlprimel-Kopfbinsenmoor und im Davallseggen-Quellmoor. Umgeben ist die Art fast immer von Torfmoosen und nicht selten gedeiht in unmittelbarer Umgebung auch der Sonnentau. Und natürlich beherbergen Kalk-Niedermoore noch eine ganze Reihe anderer Orchideenarten, z.B. Dactylorhiza incarnata, Dactylorhiza majalis, Dactylorhiza maculata, Platanthera bifolia, Gymnadenia conopsea, Epipactis palustris oder Listera ovata, sehr viel seltener auch Spiranthes aestivalis. Weitere regelmäßige Begleitarten sind: Davall-Segge, Breitblättriges Wollgras, Mehlprimel, Teich-Liliensimse und Rostrote Kopfbinse.

Die Biotope, in denen das Torf-Glanzkraut vorkommt, haben eines gemeinsam: Sie sind sehr trittempfindlich, so dass man eigentlich vollständig auf Aufnahmen verzichten sollte. Da die meisten Vorkommen ohnehin in Naturschutzgebieten oder Naturdenkmalen liegen, ist dies sowieso verboten. Noch viel schlimmer sind allerdings Meliorationsmaßnahmen wie beispielsweise Drainage oder gar Düngung. Solche Standortsveränderungen führen zum sofortigen Verschwinden der Pflanze zugunsten höherwüchsiger Arten. Dies ist auch der Grund, warum die Pflanze in den letzten 50 Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist und nunmehr in der Roten Liste als "stark gefährdet" geführt werden muss. Wie bei allen Moorstandorten können die Biotope schnell zerstört werden. Eine Renaturierung der geschädigten Bereiche dagegen dauert, wenn sie überhaupt möglich ist, viele Jahre.

Da es nur eine Art innerhalb der Gattung Liparis gibt und wegen ihres charakteristischen, unverwechselbaren Aussehens hat man mit der Identifizierung meist keine Schwierigkeiten. Problematischer ist da schon eher das Auffinden der Pflanze. Auffällig ist die zierliche Art nämlich nicht gerade. Selbst wenn man direkt vor ihr steht, braucht man schon ein gutes Auge um sie zu entdecken, sind doch die hellgrünen, glänzenden Blätter eher klein und die Blüten zudem auch noch gelblich grün, so dass sich die Pflanze kaum von der umgebenden Vegetation, meist Zwergbinsen oder -Seggen abhebt. Und wenn die Pflanze nicht blüht, hat man sowieso kaum eine Chance sie zu entdecken. Die Nahaufnahme zeigt nicht nur, dass die Art tatsächlich zur Orchideenfamilie gehört. Es wird auch deutlich, wie bezaubernd die filigranen Blüten sind.

Das Torfglanzkraut ist - wie beispielsweise auch der Frauenschuh - eine nach Anhang II der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie innerhalb der gesamten Europäischen Union geschützte Art. Sie ist damit ein Teil des Schutzgebietsnetzes Natura 2000, mit dem sich die Staaten der Europäischen Union die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Europa zum Ziel gesetzt haben. Damit soll das europäische Naturerbe auch für kommende Generationen bewahrt werden. Auch in Baden-Württemberg wurden zahlreiche Vorkommen von Liparis loeselii für das Netz Natura 2000 gemeldet. Damit müssen diese Vorkommen vor Verschlechterung bewahrt und entsprechende Managementpläne aufgestellt werden.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 36 bzw. 2n = 26. Der meist zu beobachtende sehr gute Fruchtansatz lässt eine regelmäßige Selbstbestäubung vermuten. Unter günstigen Voraussetzungen kann sich die Art auch vegetativ vermehren. Dann bilden sich an der Knolle Jungpflanzen aus. Hybriden sind bislang keine bekannt geworden und es ist aus genetischen Gründen auch nicht damit zu rechnen, dass jemals welche gefunden werden. Auch Farbvarianten sind dem Verfasser nicht bekannt. Sie wären - wie generell bei gelblich blühenden Pflanzen, denen Blütenfarbstoffe weitgehend fehlen - absolute Raritäten. Somit können wir Ihnen für diese Art, neben vom vorliegenden Text, nur noch die Rubrik "Bilder" anbieten.

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Oberschwaben, 8.6.2002


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Oberschwaben, 8.6.2002


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Oberschwaben, 8.6.2002


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Oberschwaben, Juni 1988


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Oberschwaben, September 1988