Ophrys holoserica subsp. pinguis |
Romolini und Soca 2011
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Liebe Orchideenfreunde, heute haben wir's mal wieder mit einem schwierigen Kandidaten zu tun. Dass die Artenvermehrung gerade bei den Ragwurzen besonders ausgeprägt ist, haben wir schon wiederholt festgestellt. Dass es auch innerhalb der Gattung verschiedene Komplexe gibt, die sich besonders für Neubeschreibungen eignen, macht auch unser heutiger Kandidat der Orchidee des Monats deutlich. Wie viele verschiedene Hummel-Sippen sind schon beschrieben worden! Kaum ist man auf dem neuesten Stand, kommt schon die nächste Neubeschreibung. In jedem Einzelfall muss man kritisch prüfen, ob es sich dabei tatsächlich um ein eigenständiges Taxon handelt, wobei wir die unterschiedlichen taxonomisch-systematischen Ansätze hier nicht wieder vertiefen wollen. Das gilt auch für unsere aktuelle Orchidee des Monats, Ophrys holoserica subsp. pinguis. Ophrys holserica subsp. pinguis ist ein Newcomer. Sie wurde erst 2011 zusammen mit zwei anderen Hummeltaxa und 3 verschiedenen Spinnentaxa (die sich übrigens auch sehr gut für eine Artenvermehrung eignen) im Journal Europäische Orchideen von Romolini und Soca neu beschrieben. Die Schwierigkeiten beginnen schon beim Namen. pingue heißt nämlich so viel wie "fett" im Sinne von "groß". Nachdem wir das Taxon an einem der maßgeblichen Fundorte in Augenschein nehmen konnten, müssen wir feststellen, dass es eher zu den Sippen mit mittelgroßen Blüten zählt. Jedenfalls fallen uns da ganz spontan eine ganze Reihe anderer Kandidaten ein, die man mit Fug und Recht als "fett" bezeichnen könnte. Was die übrigen Unterscheidungsmerkmale betrifft ist es ebenfalls nicht einfach. So soll das Anhängsel bei diesem Taxon beispielsweise in einer besonders starken Lippeneinbuchtung sitzen. Wenn man sich aber die Bilder des Taxons cinnabarina gleich daneben in der Erstbeschreibung ansieht, so ist es dort auch nicht anders. Kleine dreieckige Petalen, hervorstehende Lippe, und enge Narbenhöhle sind unseres Erachtens ebenfalls keine Merkmale, die besonders charakteristisch sind. Dass das Taxon auch noch Hybridschwärme bildet, die schwer zu erkennen sind, macht die Sache im Gelände auch nicht einfacher. Zumindest an dem von uns besuchten Standort fiel das Taxon insbesondere durch seine zu mehr als 95 Prozent weißen Sepalen und die meist auf die obere Hälfte der Lippe begrenzte Malzeichnung auf. Apropos: Dieser Standort am Monte Salviano ist sowieso recht ungewöhnlich. Stark sonnexponiert und steinig dominiert das Federgras, so dass man getrost von einer Federgrassteppe sprechen kann. Dort Orchideen in nennenswerter Anzahl zu finden ist schon bemerkenswert, wobei sogar Himantoglossum adriaticum nicht selten ist. Aber so ist eben Natur. Wie dem auch sei, als Verbreitungsgebiet geben die Autoren die Provinzen Abruzzo, Lazio und Toscana an. Man könnte das Taxon also schon als mittelitalienischen Endemiten bezeichnen. Die Blütezeit liegt relativ spät und reicht von Mitte Mai bis Mitte Juni. Das Taxon bevorzugt Karstböden, das Höhenprofil reicht von 500 bis 1.200 Meter. Am Monte Salviano kommt auch das Hummeltaxon "dinarica" vor, so dass einzelne Hybriden nicht weit waren. Unser Bildarchiv enthält entsprechendes Anschauungsmaterial. Mehr gibt es zu dieser hübschen Ragwurz nicht zu sagen. | |