Ophrys philippi |
Grenier 1859
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Die wunderschöne Ophrys philippi ist wahrscheinlich die größte Kostbarkeit unter den Orchideen des europäischen Mittelmeerraumes. Die Geschichte dieser Art ist spannend wie bei kaum einer anderen. Detailliert beschrieben wurde sie bereits 1859 von Grenier. Damals wurde - wie allgemein üblich - ein Herbarbeleg hinterlegt, und zwar in Herbarium Grenier im Museum von Paris. Aber offensichtlich hat sich in den folgenden Jahren niemand so recht um diese Art gekümmert und der Herbarbeleg geriet in Vergessenheit. Ein wenig Mitschuld daran trägt Camus, der Ophrys philippi "lediglich" als Bastard zwischen Ophrys scolopax und Ophrys aranifera s.l. bezeichnete, obwohl er offensichtlich die Pflanzen in Natura gar nicht gesehen hatte. Durch verschiedene Umgruppierungen, Namensänderungen und Fehlinterpretationen wurde schließlich der Name Ophrys phillipi einer vergleichsweise spätblühenden Art aus dem Ophrys scolopax-Formenkreis zugeordnet, die ebenfalls in Südfrankreich vorkommt. Auch im 2001 neu aufgelegten, von manchen Orchideenfreunden kritisierten, dann von ihnen aber doch als das aktuelle Standardwerk mitgeführten und zitierten Orchideenwerk ist dies noch so. Die dort unter dem Namen Ophrys philippi gezeigten Bilder gehören zu Ophrys santonica, für die nach unserer Auffassung auf Grund eigener Beobachtung zumindest der Rang einer Subspezies angebracht ist. Ob jedoch der Artrang gerechtfertigt ist (Mathé und Melki 1994), mag dahingestellt sein. Herr Delforge hat die "falsche" Ophrys philippi, wie auch einige andere Fehler, bereits in einer Veröffentlichung korrigiert. Zurück zur Geschichte. Am 17. Mai 2000 fanden Orchideenfreunde eher zufällig ("bei einem Familientag") nördlich von Toulon rund 20 Exemplare einer Orchideenspezies, die sie nicht so recht zuordnen konnten. Es war weder eine Schnepfe, noch eine Hummel oder Biene. Und eine Hybride war auch nicht wahrscheinlich. Es wurmt natürlich, wenn man etwas gesehen oder fotografiert hat und nicht weiß, wie es heißt. So wurde nach allen Richtungen recherchiert um das Rätsel zu lösen. Manchmal kommt man dabei nicht weiter. Aber in diesem Fall war es anders. Die Kollegen dürften wohl ziemlich verblüfft gewesen sein, als sie im Herbst 2000 in den Naturalistes Belges einen Artikel von Pierre Delforge lasen, der sich mit der "Ophrys des Monsieur Philipp" befaßte. Dort waren auch zwei Herbarbelege abgedruckt, genau jene Exemplare, die viele Jahre unbeachtet im Pariser Archiv lagen. Noch interessanter ist aber die Abbildung eine Lithografie von C.F.Smith nach einem Aquarell von Moggridge, der sich 1869, also 10 Jahre nach Grenier, mit der Art befasste. Die von den Kollegen im Mai gefundenen Pflanzen ähnelten verblüffend den dort abgebildeten Pflanzen. Plötzlich war es einfach und klar: Die richtige Ophrys philippi, über 100 Jahre verschollen, war wiederentdeckt. Die Sensation war perfekt. Jetzt begann der run auf diese Art. Durch gezielte Suche im Raum nördlich Toulon konnten unseres Wissens bislang 14 Fundorte in vier Orten zwischen Toulon und dem Hochtal von Gapeau entdeckt werden, wobei offensichtlich ein besonders leicht zugänglicher Standort unter den Orchideenfreunden herumgereicht wird, während die anderen aus nachvollziehbaren Gründen geheim gehalten werden, was respektiert werden sollte. Da alle Standorte mit nur wenigen Pflanzen bestückt sind und das derzeit bekannte Verbreitungsgebiet nur rund 20 qkm (!) groß ist, ist die Art als extrem selten und akut vom Aussterben bedroht anzusehen. Ophrys philippi ist unverwechselbar und wenigstens die größeren Exemplare sind eigentlich kaum zu übersehen. Dass die Art erst im Jahre 2000 auffiel ist wohl nur mit ihrer extremen Seltenheit und dem kleinen Verbreitungsgebiet erklärbar. Besonders charakteristisch sind die fast waagrecht ausgerichteten Einzelblüten sowie die Blütenform mit den angesetzt wirkenden, meist kleinen Seitenlappen an der gerade ausgestreckten Lippe. Das Perigon ist zu 99% reinweiß, Exemplare mit zartrosa getönten Sepalen wurden jüngst gefunden, sind aber extrem selten. Die Art beginnt Anfang Mai zu blühen und bevorzugt - soweit wir das anhand der wenigen uns bekannten Fundangaben überhaupt sagen können - halbschattige Bereiche, meist Böschungen. Sehr sonnige und trockene Bereiche scheint sie zu meiden. Weitere Ansprüche sind uns nicht bekannt, aber es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren mehr Details über diese schöne Ragwurz, wie z. B. der Bestäuber, bekannt werden. Genetische Untersuchungen laufen bereits an der Universität von Marseille. So könnte es bald mehr Klarheit über Verwandtschaftsbeziehungen und Entstehungsgeschichte dieser außergewöhnlichen Art geben. Da fast alle befreundeten Orchideenliebhaber angekündigt hatten, im Jahr 2003 Ophrys philippi auch sehen zu wollen, hatten wir uns schon darauf eingerichtet, am bekannten "Böschungsstandort" Schlage zu stehen. Es ist schon kurios: Erst interessiert sich 100 Jahre niemand dafür, dann plötzlich alle Orchideenfreunde (uns eingeschlossen). Zu unserer Überraschung blieben aber während unseres Besuchs alleine, was auch das fotografieren erleichtert hat. Bedauerlicherweise war die Ragwurz des Monsieur Phillip in dieser Höhenlage bereits am Blühende und die meisten Orchideenfreunde waren wohl bereits dort gewesen und konnten sich sicher einen besseren Eindruck von dieser Art machen als wir. Wir beschlossen jedenfalls, uns noch in etwas höher gelegenem Gelände umzusehen. Nach über einstündiger schweißtreibender Wanderung mit 20 Kilo-Photo-Trekker AW auf dem Kreuz und eigentlich wenig Hoffnung, etwas besseres zu finden, stolperten wir dann über zwei wunderschön erblühte, über 30 Zentimeter große Pflanzen. Das waren jetzt also "richtige" Ophrys philippi, und wir konnten es kaum glauben, wie stattlich diese Pflanzen werden können, hatten wir doch die eher kümmerlichen Exemplare am Standort zuvor noch in Erinnerung. Da waren alle Mühen rasch vergessen, der Rucksack schnell abgelegt, der Schweiß von der Stirn gewischt und ruck zuck zwei weitere Filme belichtet. Manchmal muss man eben auch Glück haben - und vor allem Ausdauer. An diesen beiden Exemplaren konnte man übrigens sehr schön die typischen Merkmale der Art erkennen, wodurch wir zur Überzeugung gelangten, dass es sich bei Ophrys philippi wirklich um eine eigenständige Art und nicht etwa ein Hybride handelt. Dies bedeutet andererseits auch, dass Ophrys santonica (Mathé und Melki 1994) der gültige Name für einen klein- und spätblühenden Vertreter aus dem Ophrys scolopax-Formkreis bleibt. | |