Ophrys apifera var. tilaventina |
U. Nonis und P. Liverani 1997
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Was ist das nun schon wieder, werden Sie sich vielleicht fragen. In der Tat: Diese Variante der Bienenragwurz ist in Deutschland bislang eher unbekannt. Auch wenn die Art erst relativ spät, nämlich 1997 von U. Nonis und P. Liverani in der Caesiana beschrieben wurde ist dies doch verwunderlich. Normalerweise sprechen sich Neubeschreibungen nämlich schnell herum und lösen bei den Orchideenfreunden geradezu einen "Boom" aus. Jeder will das sehen und im Fotoarchiv haben. Ein gutes Beispiel hierfür ist Ophrys philippei, die wir hier schon beschrieben haben. Nicht so bei Ophrys apifera var. tilaventina. Und das, obwohl die Blüten dieser Art mit ihren mehr oder weniger intensiv rosa gefärbten Lippenzentren ausgesprochen attraktiv und fotogen sind und man auch, wenigstens von Deutschland aus betrachtet, keine Weltreise unternehmen muss, um die Art zu sehen. Genauer gesagt braucht man dazu nicht einmal Flugzeug oder Schiff. Man findet sie nämlich insbesondere entlang der größeren Flüsse Tagliamento und Piave im norditalienischen Tiefland. Ein weiterer Standort aus der Nähe des Gardasees ist ebenfalls bekannt geworden. Den Namen hat sie übrigens vom alten Namen des Flusses Tagliamento. Die Art ist eng gebunden an ufernahe, kiesige Standorte. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, es handelt sich um sehr trockene Standorte. Dem ist aber nicht so, denn das Grundwasser ist meist gar nicht so weit von der Oberfläche entfernt. Meistens ist sie vergesellschaftet mit anderen Orchideenarten, insbesondere Ophrys holoserica. Letztere kommt übrigens am Tagliamento auch in einer Ausprägung mit grünem Perigon vor (an einem Standort sogar ca. 30 % der Pflanzen). Ein guter "Zeiger" für Ophrys apifera var. tilaventina ist das Federgras, das meistens dichtere Bestände bildet und das man schon von weitem in den Flächen erkennen kann. Dort lohnt die Suche am ehesten. Dennoch: Die Art ist sehr selten und tritt eher vereinzelt und nicht in größeren Beständen auf. Man muss also schon eine ganze Weile suchen, um sie zu entdecken. Oder aber man lässt sie sich von Ortskundigen zeigen. Letzteres ist die Variante, wenn man leider wenig Zeit hat für eigene Entdeckungen. Ophrys apifera tilaventina ist nicht nur auf die Bodenverhältnisse bezogen eine anspruchsvolle Art. Sie meidet direkte Besonnung, aber auch den Schatten. Meist findet man sie deshalb am Rand von Bäumen oder Gebüschen im Halbschatten, die Standortsaufnahme veranschaulicht das gut. Und wie auch die anderen Bienen ist sie sehr launisch. In schlechten Jahren findet man kaum ein blühendes Exemplar an den Vorkommensplätzen. So auch 2004, wo zumindest an den drei von uns besuchten Plätzen allenfalls rund 10-20 % des sonstigen Bestands zu finden waren. Zurückzuführen ist das vermutlich auf das sehr heiße und trockene Jahr 2003, wo die Pflanzen kaum Reserven anlegen konnten. Dies gilt übrigens auch für Süddeutschland, wo 2004 ebenfalls ein außergewöhnlich schlechtes Bienenjahr war. Da die Art an mehreren räumlich voneinander isolierten Standorten vorkommt und morphologisch gut erkennbar ist, halten wir den Status einer Varietät für angemessen. Hinzu kommt, dass es sich bei der Biene um einen Selbstbestäuber handelt. Eine zufällige Mutation kann sich deshalb leicht weiterverbreiten. Allerdings gibt es einen Unterschied zu anderen Varietäten der Bienenragwurz, beispielsweise den Varietäten trollii oder bicolor. Diese kommen nämlich annähernd im gesamten Verbreitungsgebiet der Nominatform vor und haben keine von der Nominatform abweichende Bindung an einen konkreten Lebensraum. Ophrys apifera tilaventina dagegen wurde bislang nur in Norditalien gefunden und ist auf flussnahe Kiesböden beschränkt. An den von uns besuchten Vorkommensorten haben wir neben der Varietät tilaventina keine "normalen" Bienen gefunden. Kollege Blaich jedoch fand einen Standort mit Vorkommen beider Ausprägungen. Es ist demnach nicht ganz korrekt, wenn man sagt, dass in diesen Bereichen die Ophrys apifera var. tilaventina die Nominatform ersetzt. Natürlich kann man zu Recht diskutieren, ob nicht sogar der Status einer Subspezies gerechtfertigt ist. Ob man allerdings so weit gehen und eine eigene Art daraus machen muss, wie beispielsweise bei Epipactis rhodanensis, ist eher zweifelhaft. Hybriden wurden unseres Wissens bislang noch nicht gefunden. Denkbar wären sie mit Ophrys holoserica. Ihre Blühzeiten überschneiden sich und trotz der Selbstbestäubung der Bienen kommt es wegen gelegentlicher Fremdbesucher bei der Varietät apifera immer mal wieder zur Hybridisierung. Warum also nicht auch mit der Varietät tilaventina? Eine solche Hybride sollte recht spektakulär aussehen. | |