Ophrys apifera | |
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Unsere Orchidee des Monats Juli 2010 dürfte wohl den meisten Orchideenfreunden bekannt sein. Denn es ist zum einen ein unverwechselbares Taxon, das bereits 1762 erstmals beschrieben wurde. Kennzeichnend sind die rundliche und gewölbte Lippe mit ihren deutlich ausgeprägten und behaarten Seitenlappen und dem nach hinten gekrümmten Anhängsel sowie der langgezogene, oft gekrümmte Schnabelfortsatz und die extrem kleinen grünen Petalen. Zum anderen hat es ein ungewöhnlich großes Verbreitungsgebiet, so dass die Chance, auf eine Biene zu stoßen, vergleichsweise häufig ist, sofern man die geeigneten Biotope findet. Die Biene kommt vor in Europa von Irland südwärts, in der Türkei, in Nordafrika (Marokko) und Israel, ferner im Libanon, Kaukasus und im N-Iran. Florenelement: mediterran submediterran pannonisch süd- und mittelatlantisch süd- und (nord-) subatlantisch süd-zentraleuropäisch. Die Biene wächst in unterschiedlichen Biotopen und auch abhängig vom Verbreitungsgebiet. Bei uns in Mitteleuropa beispielsweise wächst die Art vornehmlich in Halbtrockenrasen, zum Beispiel Wacholderheiden. In der Mittelmeerregion dagegen bevorzugt sie gut wasserversorgte Böden und steht nicht selten sogar nass, wie beispielsweise in der Türkei. Die Böden sollten zudem basenreich sein, zu starke Beschattung mag sie nicht. Entsprechend dem Breitengrad und ihrem Höhenprofil bis hinauf auf 1.800 Meter Meereshöhe reicht der Blühtermin von März bis Juli. Überall gehört sie jedoch zu den vergleichsweise spät blühenden Ragwurzarten. Von den fünf in Mitteleuropa vorkommenden Ophrys-Arten ist die Biene am spätesten dran. In normalen Jahren steht sie beispielsweise auf der Schwäbischen Alb in der dritten Mai-Woche in voller Blüte. Gerade in nördlichen Regionen - und dazu zählt leider auch Mitteleuropa - ist die Art relativ launisch. Ungewöhnliche Witterungsverläufe, insbesondere niederschlagsarme Winter, quittiert sie mit Beleidigtsein und Blühverzicht. Hinzu kommt, dass die einzelnen Pflanzen offensichtlich eine relativ kurze Lebensdauer haben. So kann es Jahre geben, in denen sie zu Dutzenden blüht, in anderen Jahren am selben Standort wiederum sucht man sie gar vergeblich, um im dritten Jahr dann wieder an anderer Stelle im Biotop aufzutauchen. Im übrigen könnte man sie fast als "Ragwurz-Pionier" bezeichnen. Sie hat nämlich die Fähigkeit, besonders schnell neu geschaffene Rohböden zu besiedeln. Beobachten kann man das z.B. an Straßenböschungen oder auch nach kurzfristiger In-Acker-Nahme von Extensivgrünland. Voraussetzung ist natürlich, es handelt sich um einen nährstoffarmen, nicht mit Pestiziden oder Flüssigdünger behandelten Standort, auf dem der zur Keimung nötige Bodenpilz noch vorkommt. Ophrys apifera subsp. apifera wird zwar ab und zu von Männchen der Gattung Eucera und Tetralonia angeflogen, ist - als einziger Vertreter der Gattung Ophrys übrigens - vornehmlich ein Selbstbestäuber (obligat autogam). Insekten braucht sie nicht, die Pollinienpakete neigen sich schon recht früh während der Anthese nach unten und landen treffsicher auf der Narbe. Das führt zu einer Kuriosität: Mutierte Pflanzen können sich selbst vermehren und damit sozusagen den genetischen Fehler an die Nachkommen weitergeben, ganz unabhängig davon ob sie für einen Bestäuber attraktiv sind oder nicht. Einzige Bedingung: Die Mutation muss fertil sein. So haben sich im Laufe der Zeit aus spontanen Mutationen quasi durch Inzucht Varietäten und Lusi gebildet, die sich mehr oder weniger verbreitet haben. Für Ophrys apifera gilt dies in besonderem Maße. Einige dieser Formen finden sie im Bildarchiv dieser Homepage Das ist zum Beispiel die Varietät aurita mit deutlich verlängerten grünlichen Petalen. Sie ist relativ weit verbreitet und immer mal wieder in typischen Beständen untergemischt. Gleiches gilt für die Varietät bicolor. Andere Varietäten sind dagegen bislang selten und nur an wenigen Stellen anzutreffen, so beispielsweise die Varietät longisepala aus dem Aveyron oder die "Kornbergbiene", die es unseres Wissens nur an einer einzigen räumlich sehr begrenzten Stelle auf der Schwäbischen Alb in Süddeutschland gibt. Zwei Varietäten, nämlich die bereits erwähnte Varietät longisepala und die Varietät tilaventina sind im Archiv der Orchidee des Monats bereits näher beschrieben, andere werden noch folgen. Weil die Biene trotz Selbstbestäubung auch manchmal (echten) Bienen-Besuch bekommt, sind auch von der Biene zahlreiche Hybridkombinationen bekannt, sogar mit so spektakulären Arten wie Ophrys speculum subsp. speculum. In Mitteleuropa bastardiert sie mit allen anderen vier Ragwurzarten, wobei Hybriden mit Ophrys araneola (unterschiedliche Blühzeiten!) und Ophrys insectifera besonders selten sind. Eine ganze Reihe solcher Kombinationen finden Sie auf unserer Homepage im Bildarchiv. Selbstbestäubung hin oder her, mancher Bestäuber eines anderen Taxons landet eben doch ab und an mal auf einer Biene mit entsprechenden Folgen. Solche Hybriden haben fast immer einen mehr oder weniger verlängerten Schnabelfortsatz, offensichtlich ein sehr dominantes Merkmal. Verglichen mit anderen Taxa der Gattung Ophrys sind Albinos, also gelblippige Exemplare mit weißem Perigon, häufiger anzutreffen. Infolge der Selbstbestäubung treten sie manchmal in mehr oder weniger großen Gruppen auf, was uns Orchideenfreunden natürlich sehr willkommen ist. Und auch ansonsten kann man ab und an weitere Mutationen finden, so zum Beispiel Exemplare mit labelloiden Petalen oder dreilippige Blüten. Der Chromosomensatz beträgt 2n=36. | |