Dactylorhiza savogiensis |
D. Tyteca und Gathoye, 1990
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Heute haben wir uns wieder mal einen schwierigen Kandidaten ausgesucht. Eigentlich macht die ganze Gattung Dactylorhiza taxonomisch große Probleme, worauf wir schon mehrfach hingewiesen haben. Zum einen stehen sich die heute beschriebenen Arten morphologisch oft sehr nahe. Hinzu kommt ihre ausgeprägte Neigung zur Hybridisierung. Da die Hybriden in der Regel fertil sind, kommt es zur Ausbildung von Hybridschwärmen, ja ganzen Hybridpopulationen, in denen es dann wiederum zu Rückkreuzungen kommt. Es kann auch vorkommen, dass die Hybriden durch die Kombination von Genen robuster sind und an bestimmte Standorte besser angepaßt sind, als die Eltern. Dann können die Eltern sogar ganz verschwunden sein und nur noch die Hybriden stehen da. Aus diesen wenigen Zeilen wird deutlich, warum viele Orchideenfreunde mit dieser Gattung erhebliche Probleme haben. Kollege Helmut Presser schreibt im Rahmen des Kapitels zu Dactylorhiza savogiensis: "Man muss einfach akzeptieren, dass nicht jede Pflanze bzw. Population eindeutig zugeordnet werden kann". Dies ist eine ehrliche Analyse, der wir nur eines hinzufügen wollen: Diejenigen, die behaupten, sie könnten alle Knabenkräuter eindeutig zuordnen, sind, höflich ausgedrückt, unglaubwürdig. Eine ähnlich verfahrene Situation findet man übrigens im östlichen Mittelmeerraum, insbesondere in den Bergregionen (Griechenland). Da könnte man auch fast jeder Population einen eigenen Namen geben. So nimmt es nicht Wunder, dass es über die Zuordnung von Dactylorhiza savogiensis ganz verschiedene Meinungen gibt. Die einen bezweifeln grundsätzlich, dass es Dactylorhiza savogiensis gibt. Für sie sind es "nur" stabilisierte Hybridpopulationen zwischen Dactylorhiza maculata und Dactylorhiza fuchsii. In Anbetracht des morphologischen Erscheinungsbildes halten wir das in der Tat nicht für ausgeschlossen. Andere wiederum halten einen hybridogenen Ursprung unter Beteiligung von Dactylorhiza maculata / fuchsii und Dactylorhiza majalis / alpestris für möglich. Manche stellen sie synonym zu Dactylorhiza sudetica, was wir nicht beurteilen können, zumal auch diese Art umstritten ist. Im aktuellen Delforge wird Dactylorhiza savogiensis jedenfalls im Artrang in der Untergruppe Dactylorhiza maculata geführt. Wegen der ganz unterschiedlichen Sichtweisen zum Status der "Art" ist es nicht verwunderlich, dass auch ihr Verbreitungsgebiet mehr als unklar ist. Dactylorhiza savogiensis wurde jedenfalls aus den Westalpen (Name!) als eigene Art beschrieben, wobei wir dahin gestellt lassen, ob der Artrang gerechtfertigt ist. Wir haben uns einen Standort angesehen, wo die Art in reiner Form vorkommen soll. Dort fanden wir Anfang Juli in einer Höhe von rund 1.650 Metern zu Tausenden blühende Knabenkräuter und es wurde deutlich, dass es sich keinesfalls um "normale" Dactylorhiza maculata oder Dactylorhiza fuchsii handeln kann. Schon von Weitem kann man das an der Farbe erkennen, was auch auf den Fotos zum Ausdruck kommt, die übrigens, wie alle Bilder in www.orchis.de, farblich nicht manipuliert, sondern originalgetreu wiedergegeben sind. Bei Dactylorhiza savogiensis fehlt in der Regel der rosa Grundfarbton in den Blüten, der das typische Erscheinungsbild von Dactylorhiza maculata bzw. fuchsii ausmacht. Die Blüten sind insgesamt dunkler gefärbt und unregelmäßiger gezeichnet und erinnern mehr an Dactylorhiza alpestris. Allerdings sind die Stängel markig, so dass man sie schon deshalb nicht zu Dactylorhiza majalis-Gruppe stellen kann. Außerdem sind die Blätter sehr viel schmaler und viel eher D. maculata ähnlich. Nicht bestätigen können wir Feststellungen, wonach die Art auffällig hochwüchsig sei. Zwar haben wir auch großgewachsene Pflanzen gesehen, die weit überwiegende Zahl jedoch blieb verhältnismäßig niedrig. Zumindest 2003 und an diesem Standort war das so, wobei anzumerken ist, dass dieses Jahr wohl als eines der außergewöhnlichsten in die Geschichte eingehen wird. Ungewöhnlich viel Wärme und Sonne und wenig Niederschlag im Mai und Juni haben die Vegetation ordentlich durcheinander gebracht. Auch auf die Orchideen, die sowieso meist auf trockenen bzw. nassen und damit empfindlichen Standorten wachsen, hatte dies drastische Auswirkungen. Wir können nicht ausschließen, dass die von uns besuchte Population sich in diesem Jahr wegen Wassermangel schlicht nur schlecht entwickelt hatte und die Pflanzen üblicherweise eine deutlich größere Höhe erreichen. Dactylorhiza savogiensis kommt in Höhen über 1.200 Meter bis hinauf auf 2.000 Meter vor. Sie wächst an sauren, oft nassen Standorten in Wiesen, Weiden und lichtem Gebüsch und blüht in normalen Jahren im Juli. Der Chromosomensatz beträgt 2n= 80, was dem von Dactylorhiza maculata entspricht. Hybriden sind unseres Wissens aus dem französischen Verbreitungsgebiet bekannt mit Nigritella rhellicani und Dactylorhiza alpestris. Wir dürfen dieser Liste eine weitere Kombination hinzufügen, nämlich die Gattungshybride mit Leucorchis albida. Von dieser seltenen Kreuzung fanden wir am 1.7.2003 zu unserer großen Freude innerhalb eines Massenbestands von Dactylorhiza savogiensis drei noch blühende Exemplare (Foto). Wenn man so etwas finden will, braucht man entweder eine ganz präzise Standortsangabe eines Kollegen, oder aber man braucht viel, viel Glück und findet so was selbst. Dass man natürlich auch Ausdauer braucht, haben wir schon mehrfach betont. Wenn man Besonderheiten oder Seltenheiten finden will, ist es in der Regel besser, sich an einem schönen Standort ausgiebig umzusehen, als von einem zum anderen Standort zu hetzen. So kommt es schon mal vor, dass wir uns in einem ergiebigen, vielstrukturierten Gelände mehrere Stunden aufhalten. Man ist dann meist überrascht, welch umfangreiche Artenlisten dabei zustande kommen. An wenigen Stellen kam am selben Standort auch Dactylorhiza alpestris vor. Sie war, was uns wenig überrascht hat, bereits vollständig verblüht. Im Kontaktbereich beider Arten fanden wir einige Exemplare, die als Kreuzungen zwischen Dactylorhiza alpestris und Dactylorhiza savogiensis anzusehen sind. Sie waren auffallend hochwüchsig, dicht- und großblütig, hatten viel breitere, meist stark gefleckte Blätter und ihre Stängel ließen sich leicht zusammendrücken. Zudem standen sie noch in Blüte, was reine Dactylorhiza alpestris ausschließt. Solche Hybriden sind nicht überraschend, weil auch Kreuzungen zwischen Dactylorhiza alpestris und Dactylorhiza maculata / fuchsii immer mal wieder vorkommen. Gefreut haben wir uns natürlich trotzdem mächtig und auch fotografiert wurde reichlich (Foto). Solche, eindeutig erkennbaren Erscheinungen sprechen allerdings eher gegen die oben erwähnte Theorie einer hybridogenen Entstehung zwischen Dactylorhiza maculata / fuchsii und Dactylorhiza alpestris und lassen eher vermuten, dass es sich um eine Taxon aus der Dactylorhiza maculata- Formenkreis handelt. Möglicherweise wäre die Zuordnung als Subspezies von Dactylorhiza maculata gerechtfertigt. | |