Ophrys posidonia
( P. Delforge 2000 )

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Blüten


Nachdem wir im letzten Monat mit Dactylorhiza ochroleuca eine bereits seit vielen Jahren bekannte Orchideenart behandelt haben, steht diesmal wieder ein Neuzugang auf dem Programm. Es ist die nach dem griechischen Meeresgott Poseidon benannte Ophrys posidonia, die erst im Jahre 2000 von Delforge als Art beschrieben wurde und die deshalb. für viele unserer Leser neu sein dürfte. Hier gilt das bereits bei anderen newcomern in orchis.de gesagte: Der Artrang muss kritisch hinterfragt werden. Gerade in letzter Zeit mehren sich die Stimmen gegen die immer noch anhaltende Aufsplittung in immer neue Arten, speziell bei den Gattungen Ophrys, Dactylorhiza und Epipactis. Der Autor hält es nur für eine Frage der Zeit, bis sich dieser Trend umkehrt und wieder vermehrt Umgruppierungen (Rückgruppierungen) vorgenommen werden.

So manche Art wird dann ihren Artrang zu Gunsten einer Subspezies oder Variante verlieren (da fällt mir übrigens der Lieblingsspruch der Politiker und Spitzenmanager ein: Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen und zurückstecken). Leider besteht die Gefahr, dass man dann wieder zu viel des Guten tut, weil eine klare Linie fehlt. Was wir bräuchten wäre ein klar definiertes, wissenschaftlich fundiertes Klassifizierungssystem, zu dem sich alle bekennen. Es können meiner Meinung nach beispielsweise weder ausschließlich morphologische, noch ausschließlich populationsbiologische Kriterien maßgeblich sein. Die Wahrheit wird, wie so oft, zwischen den verschiedenen Ansätzen liegen.

Trotz alledem: Wer die Poseidon-Ragwurz an einigen der schätzungsweise 35 bekannten Standorten gesehen hat, kommt vermutlich zur Überzeugung, zumindest etwas eigenständiges vor sich zu haben. Ob es eine Art ist, oder der Rang einer Subspezies (von wem?) angebracht wäre, sei dahingestellt. Am ehesten erinnern die Pflanzen an Ophrys gracilis, mit der sie auch gelegentlich zusammen blühend vorkommt. Dann allerdings wird die eindeutige Zuordnung schwierig, denn alle Übergänge sind anzutreffen, was den Artrang natürlich wieder in Frage stellt, zumindest aus populationsbiologischer Sicht. Der Bestäuber ist übrigens noch nicht bekannt, vielleicht wird es dann klarer. Etwas verwunderlich ist in diesem Zusammenhang, dass Delforge die Art gemeinsam mit Ophrys tetraloniae und Ophrys elatior zur Gruppe Ophrys tetraloniae stellt, während er Ophrys gracilis zur Ophrys fuciflora (holoserica)-Gruppe zählt.

Ophrys posidonia ist schlank im Wuchs und lockerblütig. Die Blüten sind verhältnismäßig klein, deutlich kleiner jedenfalls als die von Ophrys holoserica. Am auffälligsten aber sind der meist deutlich ausgeprägte gelbe Rand der Blütenlippen und das meist grüne Perigon. Die Betonung liegt auf "meist", denn manchmal ist der gelbe Rand etwas verkümmert und bei rund 30 % der Exemplare sind die Sepalen grünlich-weißlich, in wenigen Fällen sogar rosa. Im letzteren Fall ist die Abgrenzung zu Ophrys gracilis nur schwer möglich, auch wenn es noch einige weitere Unterscheidungsmerkmale beim Blütenaufbau gibt. So sollen zum Beispiel die "Pseudoaugen" bei der Poseidon-Ragwurz strichförmig, bei Ophrys gracilis dagegen punktförmig sein. Außerdem soll die Narbenhöhle bei der Poseidon-Ragwurz keinen Vorsprung haben im Gegensatz zu Ophrys gracilis. Aber: Wir wissen ja, wie groß die Schwankungen im Erscheinungsbild bei Ophrys-Arten sind, da darf man sich nichts vormachen.

Das Verbreitungsgebiet der Poseidon-Ragwurz liegt im Westen Italiens (Tyrrhenien) und ist sehr begrenzt. Es reicht vom Süden der Provinz Latium über die Provinz Campanie bis nach Nord-Kalabrien. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt nach derzeitigem Stand im Cilento (Provinz Salerno). Insgesamt ist sie sehr selten, kann aber an guten Standorten auch mal größere Bestände mit über 100 Exemplaren bilden. Sie blüht sehr spät, meist erst ab Anfang Juni bis Mitte Juli und damit nach Angaben von Delforge rund 4-6 Wochen später als Ophrys holoserica, was natürlich auch ein gutes Erkennungsmerkmal ist. Möglicherweise sind deshalb längst noch nicht alle Fundorte bekannt geworden. Nicht bestätigen können wir übrigens die Angaben von Delforge, wonach Ophrys posidonia rund 2-4 Wochen nach Ophrys gracilis blühen soll. Wir fanden beide Arten gegen Ende Mai in ungefähr gleichem Aufblühzustand vor. An einem Standort waren sogar noch einige blühende Ophrys holoserica zu finden, so dass der Größenunterschied besonders deutlich wurde. Ophrys posidonia mag volle Sonne oder auch leichten Schatten (lichte Wälder) und kalkhaltige, meist trockene Böden. Das Höhenlimit liegt derzeit bei rund 1.050 Metern.

Kaum beschrieben muss die Art insgesamt schon als gefährdet eingestuft werden. Insbesondere Überbauung, Nutzungsintensivierung und Nutzungsaufgabe führen zu Verlusten, die kaum ausgeglichen werden können. Von den 4 von uns im Mai besuchten Standorten sind 2 akut gefährdet. Der eine, auf dem die Bilder links aufgenommen wurden, ist wahrscheinlich bald Geschichte. Er liegt im Randbereich der aktuellen Bebauung und auf der Fläche gegenüber wurde erst jüngst ein Gebäude errichtet, die Bauarbeiten sind noch in vollem Gange. Auf der zweiten Fläche fanden wir trotz genauer Ortsangabe und obwohl dort noch vor kurzem mehrere Hundert Exemplare blühten kein einziges Pflänzchen mehr. Der Bereich war weiträumig intensiv mit Rindern beweidet. Wären die Kuhfladen nicht gewesen, man hätte locker Golf spielen können

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Blüten


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Blütenstand


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Habitus


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Standort