Epipactis voethii
Robatsch 1993

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Wien (A), 9. Juli 2006


Unsere Orchidee des Monats ist diesmal wieder ein schwieriger Kandidat aus der Gattung Epipactis, über den es eigentlich nicht so sehr viel zu schreiben gibt. Gerade bei den Stendelwurzen sind in jüngster Vergangenheit immer weitere Arten beschrieben worden. Bei einer ganzen Reihe ist der Artstatus anzuzweifeln. Auch Epipactis voethii ist ein Jüngling, wurde erst 1993 am Bisamberg nördlich Wien von Walter Vöth entdeckt und von Karl Robatsch als eigenständige Art neu beschrieben.

Mittlerweile wurden weitere Standorte gefunden, so im Günser Gebirge. Nach Delforge soll die Art darüber hinaus auch in Ungarn und der Tschechoslowakei vorkommen. Die Standortangaben reichen von luftfeuchten Buchenwäldern bis Eichen- Hainbuchen- Nadelwäldern, und auch die Höhenangaben schwanken je nach Publikation beachtlich und reichen von maximal 400 Höhenmetern bis 1670 Meter. Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass die Standorte ein Mindestmaß an Belichtung aufweisen müssen, nicht zu dicht mit Begleitvegetation überzogen sein dürfen und die Böden vornehmlich neutral bis sauer sein sollten. Als Blütezeit wird angegeben: Juli, etwas vor Epipactis helleborine. In Österreich gehört sie nicht zuletzt wegen der wenigen Standorte zu den 165 vom Aussterben bedrohten Farn- und Blütenpflanzen

Wir haben dieses Jahr den Platz bei Wien besucht und auch entsprechende Pflanzen gesehen. Auf Einige passt die Beschreibung ganz gut, aber eben längst nicht auf alle. Dazu möchten wir Helmut Presser zitieren, der folgende Merkmale nennt: "(10) 20-40 (75) cm hoch mit dünnem, häufig hin- und her gebogenem Stängel und schmalen, langen, waagrecht abstehenden, oft bogigen Blättern. Die relativ wenigen und kleinen Blüten sind lang gestielt, sehr weit geöffnet, was für eine autogame Sippe sehr ungewöhnlich ist, m.o.w. einseitswendig und nickend. Nach der Anthese schließen sie sich wieder halb und hängen stärker. Die Kronblätter sind außen grün, innen heller, besonders die Petalen innen manchmal m.o.w. rosa überlaufen, ebenso das sonst weiße Epichil (Einfluss der breitblättrigen Stendelwurz?). Das Hypochil ist innen oliv, hellbraun oder rot, nur bei ausreichender Feuchtigkeit nektarführend, die herzförmige Vorderlippe oft stark zurückgeschlagen, der Durchgang ist eng“.

Einige Bilder als der Wiener Population haben wir links abgebildet, weitere Pflanzen aus diesem Bestand finden Sie im Bildarchiv unter Epipactis voethii. Wenn man die Pflanzen zum ersten Mal im Wald stehen sieht, ist man ziemlich sicher, dass es sich hierbei um etwas Eigenständiges handelt. Streift man dann im Wald umher, entdeckt man immer wieder sterile Triebe und immer mehr Exemplare, die in einigen Punkten mehr oder weniger vom beschriebenen Typus abweichen. Und dann kann man auch relativ stattliche Pflanzen finden, die höher im Wuchs, vielblütiger und breitblättriger sind. Sie vermitteln zu Epipactis helleborine. Ein solches Exemplar vom Bisamberg haben wir ebenfalls links abgebildet. Die Exemplare bei Wien könnten also nicht (mehr) repräsentativ sein, denn nach Robatsch soll es sich hierbei um eine "sterbende" Population handeln, die bereits von Epipactis helleborine beeinflusst ist.

Das Ganze erinnert stark an die Diskussion der Sonnenform von Epipactis helleborine. Die ist komplett verschieden von der Nominatform und gekennzeichnet durch relativ schmale, hellergrüne und oft am Rande gewellte Blätter, niedrigen Wuchs und weniger und oft kleinere Blüten. Außerdem blühen die Pflanzen meist etwas früher. In einem solchen Bestand bei Gruibingen auf der Alb fanden wir in diesem Jahr bei gleichen Wuchsbedingungen eine waschechte Epipactis helleborine. Das gibt schon zu denken. Rein morphologisch betrachtet unterschieden sich Nominat- und Sonnenform mehr als nur marginal. Und dennoch soll es das Gleiche sein. Und auch die Diskussion über Epipactis helleborine ssp. minor fällt uns bei dieser Gelegenheit ein.

Vor diesem Hintergrund sei die Frage erlaubt, ob dieses Phänomen nicht auch für Epipactis voethii generell, zumindest aber für die Population am Bisamberg gilt. Parallelen sind jedenfalls unverkennbar. Und dass die Pflanzen bei Wien ein wenig früher blühen als normale Epipactis helleborine muss kein Art gebendes Merkmal sein. Immerhin ist der Bisamberg ein vergleichsweise warmer Standort. Außerdem fanden wir am 9.7. nicht nur blühende, sondern eine ebenso große Zahl knospender Pflanzen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Baumann, Künkele und Lorenz in dem gerade erschienenen Buch „Die Orchideen Europas“ (ISBN-13: 978-3-8001-4162-3 bzw. ISBN-10: 3-8001-4162-0). Dort wird Epipactis voethii nicht als eigene Art, sondern zusammen mit Epipactis neglecta, Epipactis leutei, Epipactis naousaensis und Epipactis komoricensis als Epipactis leptochila ssp. neglecta geführt. Das geht zwar relativ weit, aber auch wir zweifeln den Artstatus dieser Art an, zumindest was die Population bei Wien betrifft. Um keine weitere Verwirrung zu stiften, verzichten wir aber auf eine Umbenennung. Der Laie kann diese Arten sowieso nicht zweifelsfrei unterscheiden. Machen Sie sich selbst ein Bild dieser "Art", die Fotos zeigen alle "Art gebenden" Details verschiedener Exemplare.

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Wien (A), 9. Juli 2006


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Wien (A), 9. Juli 2006


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Wien (A), 9. Juli 2006


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Wien (A), 9. Juli 2006


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Wien (A), 9. Juli 2006, Übergang zu Epipactis helleborine?