Ophrys magniflora
Geniez und Melki 1992

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Talairan (F), 23. Mai 2005


Ophrys magniflora ist wieder so ein Kandidat, bei dem man nicht wirklich weiß, ob man ihn überhaupt als Art bezeichnen kann. Unbestritten ist, dass diese Ragwurz in die Gruppe der Ophrys bertolonii gehört. Das ist unzweifelhaft am Erscheinungsbild der Blütenlippen zu erkennen. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Früher war das einfach, alles außer Ophrys bertolonii (mit stark geknieter Lippe) war Ophrys bertoloniformis. Heute sind sich nicht einmal die französischen Autoren über den taxonomischen Stand und die Verbreitung einig. Rémy Souche vertritt in seinem Werk über die wildwachsenden Orchideen Frankreichs die Auffassung, das Verbreitungsgebiet beschränke sich auf ein sehr kleines Gebiet "Les Corbières et alentours". Im übrigen führt er die "Ragwurz mit großen Blüten" - wie er sie korrekt übersetzt nennt - seit 2001 als Subspezies von Ophrys bertolonii. Im offiziellen Werk der Französischen Orchideengesellschaft (SFO) über die Orchideen Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs wird dagegen der ursprüngliche Name Ophrys magniflora von Geniez und Melki aus dem Jahre 1992 verwendet. Diese Autoren fassen das Verbreitungsgebiet auch etwas weiter als Rémy Souche. Demnach soll die Art in den Corbières, der Region Leucate, der Aude und im Hérault vorkommen. Und Delforge gar, sonst bekannt für eher weitgehende Artdifferenzierung, ist sich nicht ganz über den Rang klar und stellt Ophrys magniflora mit Fragezeichen (!) zu Ophrys catalaunica.

Andere Autoren wiederum sind der Auffassung, Ophrys aurelia und Ophrys magniflora sind schlichtweg das gleiche, wobei Rémy Souche Ophrys aurelia in seinem Buch überhaupt nicht führt. Sie sehen also, die Verwirrung ist groß. Solange kein schlüssiges neues Artkonzept für die Gattung Ophrys bzw. Teile davon vorliegt, belassen wir die "Großblütige Ragwurz" im Artrang. Die SFO mutmaßt übrigens, dass diese Taxon aus einer Kreuzung von Ophrys catalaunica und einem Vertreter des sphegodes-Formkreises entstanden sein könnte. Schon möglich.

Freuen wir uns also einfach über dieses herrliche Kleinod, das in Frankreich unter Schutz steht. Haupterkennungsmerkmal sind neben der großen und insbesondere breiten Lippe das sehr kleine bis fehlende Anhängsel und die kaum sichtbare Einschnürung im Bereich des Anhängsels, sowie die fehlenden "Schultern". Die Exemplare, die wir am bekannten Standort bei Talairan fanden, erfüllen tatsächlich fast alle diese Voraussetzung. Ihre Lippen sind, wie auf den Fotos unschwer zu erkennen, tatsächlich ungewöhnlich breit. Aber: Dazwischen fanden wir auch vereinzelt Exemplare mit deutlich schmälerer Blütenlippe, die sich ansonsten aber in nichts von den breitlippigen Exemplaren unterschieden. Ob dieses Merkmal also für eine Artdifferenzierung ausreicht, mag dahin gestellt sein.

Ophrys magniflora kann man in Küstennähe bis hinauf in 800 Meter Höhe finden. Sie steht meist vollsonig in Garrigen, an Wegrändern (Foto!) und in mageren Rasen. Sie blüht von Ende April bis Anfang Juni und zählt damit zu den spätblühenden Ragwurzarten im Mittelmeerraum. Für die Fotografen unter Ihnen: Wie alle Vertreter der Gruppe Ophrys bertolonii ist auch Ophrys magniflora schwierig zu fotografieren. Der Blütenkontrast ist nämlich sehr ausgeprägt. Ist das rosa Perigon richtig belichtet, ist die fast schwarze, behaarte Lippe zu dunkel. Stimmt die Lippe einigermaßen, überstrahlt das Perigon. Die Automatik ist da überfordert und Handeinstellung angesagt. Aber auch mit moderner Computertechnik kann man (ausnahmsweise!) wenigstens ein wenig nachhelfen.

Die Art ist an ihren Standorten nicht gerade häufig, oft sogar nur vereinzelt anzutreffen. Zusammen mit dem sehr kleinen Verbreitungsgebiet lässt sich zumindest mittelfristig eine akute Gefährdung ableiten. Insbesondere die großflächige Aufgabe der Weidenutzung dürfte zu einem deutlichen Rückgang dieser Art führen. Wie auch bei allen anderen Ragwurzarten kommen auch bei Ophrys magniflora Hybridbildungen vor. Bekannt sind sie beispielsweise mit Ophrys incubacea, litigiosa, passionis und scolopax. Auch Exemplare mit grünem oder grünlichem Perigon kommen manchmal vor (z.B. bei Talairan) und werden von uns als Farbvarietäten geführt.

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Talairan (F), 23. Mai 2005


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Talairan (F), 23. Mai 2005


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Talairan (F), 23. Mai 2005


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Talairan (F), 23. Mai 2005