ORCHIDEEN EUROPAS

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Unterwegs in den Abruzzen

TEIL I - Zweiter Versuch: Ophrys lacaitae

27. Mai 2001

Dr. Helmuth Zelesny, Börtlingen

 

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Bis jetzt sind wir mit zwei Autos unterwegs gewesen. Ab heute können wir den Wagen von Aldo beim Hotel stehen lassen und uns auf den Vectra Caravan beschränken. Das spart ordentlich Spritkosten. Für 3 Erwachsene, ein Kind und zwei Hunde (aus Stoff) ist Platz genug, der Löwe (ebenfalls aus Stoff) ist ja leider nicht mehr dabei, der ist tragischerweise vor zwei Tagen aus dem Fenster gefallen. Das war ein Drama! Dabei sollte er doch bloß ein bisschen frische Luft schnappen, während der Fahrt. Mit einem so starken Windsog hat Dominik aber nicht gerechnet. Schwupp war er weg. Wieder was dazu gelernt. Aber Dominik ist längst drüber weg. Er meint, es geht ihm hier in Italien bestimmt sehr gut und sicher kommt er wieder nach Börtlingen zu ihm zurück.

Am heutigen Sonntag wollen wir als erstes das suchen, was ich zwei Jahre zuvor so sehnlich auf Sizilien gesucht hatte, nämlich die herrliche Ophrys lacaite. Damals im April waren wir sicherlich an den richtigen Standorten, aber eben zu früh. Jetzt aber sollte es klappen, Aldo ist sich da ganz sicher. Wir sind auf dem Weg nach Süden und halten, um uns Ödland und Wiesen beiderseits der Straße näher anzusehen. Interessant sind zum Beispiel die Hummeln, die wir als erstes finden. Neben Exemplaren mit typischen Blüten finden wir nämlich immer wieder dazwischen Exemplare mit auffallend kleinen Blüten. Sollten das Ophrys gracilis sein? Wir zweifeln mal wieder. Nachdem wir wenige Stunden später echte Ophrys gracilis gesehen haben, bleibt festzustellen, dass dies hier allenfalls Übergangsformen zwischen Ophrys holoserica und Ophrys gracilis sind, oder eben schlicht nur klein geratene Hummeln.

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Dann tatsächlich die ersten Ophrys lacaite. Sie steht in voller Blüte und ist wirklich so schön wie in den Büchern abgebildet. Bravo! Wir sehen uns die Straßenränder entlang der nächsten rund 500 Metern an und finden insgesamt 21 verschiedene Arten (!) Auch zwei schöne Hybriden zwischen Ophrys holoserica und Ophrys lacaite sind dabei, das ist wirklich ein toller Standort. Interessant sind auch einige wenige Ophrys fusca mit größerer Lippe und blauem Mal. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Ophrys funerea sein soll. Sollte es schon Ophrys lucana sein, die etwas weiter südlich jüngst beschrieben worden ist? Und, das hätte ich fast vergessen, auch meine erste blühende Epipactis microphylla bekomme ich zu sehen.

Hier die Gesamtliste, die zeigt, welchen Orchideenreichtum die Abruzzen auf kleinem Raum bieten: Himantoglossum hircinum (vereinzelt, blühend), Ophrys fusca mittelgroß (cf. lucana? wenige, blühend), Anacamptis pyramidalis (vereinzelt, knospend-aufblühend), Orchis morio (vereinzelt, verblüht), Ophrys funerea (zerstreut, blühend), Orchis cf. simia (wenige, verblüht), Ophrys holoserica (zerstreut, blühend), Serapias vomeracea (verbreitet, blühend), Ophrys apifera (wenige, blühend), Ophrys sphegodes (vereinzelt, blühend), Serapias lingua (zerstreut, blühend), Ophrys bertolonii (zerstreut, blühend), Serapias parviflora (vereinzelt, blühend), Orchis purpurea (Einzelex., verblüht), Gymnadenia conopsea (wenige, aufblühend), Epipactis sp. (wenige, Rosetten), Ophrys lacaite (zerstreut, blühend), Ophrys insectifera (wenige, verblüht), Epipactis microphylla (wenige, blühend), Limodorum abortivum (Einzelex., verblühend), Orchis mascula (wenige, verblüht) und Ophrys lacaite x Ophrys holoserica (2 Ex., blühend)

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Rund 800 Meter weiter müssen wir schon wieder halten. Links der Straße erspähen wir einen aufgelassenen Acker (!) mit Hunderten blühender Ophrys apifera. So viel Bienen auf einem Haufen haben wir noch nie gesehen. 99% haben weiße Sepalen, ein fast einmaliger Anblick. Einige wenige Exemplare mit rosa Sepalen stehen kurioserweise dazwischen. Das muss fotografiert werden. Und während wir das Bad in den Orchideen genießen, stolpern wir dann noch über zwei Besonderheiten, nämlich eine gelbe Biene und ein Duo von Ophrys apifera bicolor. Das ist wirklich großartig. Diese Variante hatte ich bislang vergeblich gesucht. Und jetzt gleich zwei Exemplare, auch noch mit weißen Sepalen.

Weiter geht die Fahrt Richtung Süden. Wir sind jetzt auf der Suche nach Ophrys tetraloniae. Die Art hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in Istrien, soll aber nach neueren Meldungen auch hier in der Gegend vorkommen, allerdings sehr selten. Delforge allerdings bezweifelt das. Zuerst mal brauchen wir aber eine Abkühlung, es ist nämlich tierisch heiß hier. Wir folgen dem Schild zu einem kleinen Restaurant, das kommt uns gerade gelegen. Dort gibt es kühles Bier (für die Großen), Fanta (für den Kleinen), eine Portion Pommes (zuerst für den Kleinen, dann aber für uns alle) und ein Formel 1 Rennen aus Monte Carlo (für Aldo) im Fernsehen. Nach dem Pass in rund 680 Metern über dem Meer und etwas weiter, in rund 643 Metern Höhe, sehen wir uns um. Von Ophrys tetraloniae weit und breit keine Spur. Dafür finden wir eine gelbe Serapias vomeracea, auch nicht schlecht. Während sich Aldo und Uli im Gelände entlang der Straße abwärts bewegen, stelle ich den Wagen in einem Feldweg ab. Und als ich mit Dominik rausfahren will, bleiben wir hängen. Nur mit Mühe, und nachdem ich einige Büsche zurechtgeschnitten habe, komme ich wieder raus. So kommt's halt, wenn man überall hinfahren will.

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Dann quert die Straße ein Bachbett. Dort soll es Ophrys tetraloniae geben (Zitat: "..unten am Bachbett"), also gehen wir wieder auf die Suche. Kurz vor der Brücke biegen wir links auf einen Feldweg ab. Der ist allerdings so schlecht und steinig, dass ich Aldo und Uli zwecks Erhöhung der Bodenfreiheit aussteigen lassen muss. Ich fahre mit Dominik einige 100 Meter weiter, eigentlich weiter als wir wollten. Aber erst an einer Einfahrt zu einem Privatgrundstück finden wir eine Möglichkeit zu wenden. Weil wir schon mal da sind, sehen wir uns um. Neben einer Wiese am Bach voll mit Ophrys apifera finden wir auch sehr typische Ophrys holoserica. Die Art blüht, während einige wenige Ragwurzpflanzen erst in Knospen stehen. Nach einiger Suche finde ich dann ein Exemplar, das bereits die erste Blüte geöffnet hat. Die Lippe ist etwas kleiner, das Perigon weiß. Ich hätte die Pflanze für eine Ophrys gracilis gehalten. Nachdem Aldo die Pflanze gesehen hat, ist er davon überzeugt, dass es sich um die von uns gesuchte Ophrys tetraloniae handelt.

Zum Beispiel ist die Basis des Perigons violett gefärbt, was ein typisches Merkmal für Ophrys tetraloniae sein soll. Kurze Zeit später aber werden wir Pflanzen finden, die mit Sicherheit zu Ophrys gracilis zu zählen sind. Und auch bei denen finden wir dieses Merkmal mehr oder weniger deutlich ausgeprägt. Es bleiben also Zweifel. Helmut Presser, der bereits mehrmals in Istrien war und Ophrys tetraloniae aus eigener Anschauung kennt und dem ich später die Fotos gezeigt habe, vermutete dann doch, dass es eine Ophrys tetraloniae sein könnte. Insgesamt finden wir: Ophrys apifera (verbreitet, blühend), Ophrys apifera flavescens (Einzelex., blühend), Ophrys holoserica (zerstreut, blühend), Ophrys cf. tetraloniae (wenige, knospend-aufblühend), Serapias vomeracea (zerstreut, blühend), Ophrys sphegodes (Einzelex., verblüht) und Orchis cf. morio (vereinzelt, verblüht)

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Weil wir gerade beim zweifeln sind: Wir sind auch nicht sicher, ob das der richtige Standort war. Wir fahren deshalb noch mal ein Stückchen zurück bergauf. Vor einer Rechtskurve stellen wir den Wagen links ab und laufen die Hangwiese, die sich bis zum Bach herunterzieht, ab. Und hier finden wir dann einige typische Ophrys gracilis, eine sogar mit grünem Perigon. Die erst kürzlich beschriebene Ophrys posidonia, die fast immer ein grünes Perigon hat, dürfte das aber nicht sein. Dafür sind die Blüten viel zu klein. Und ziemlich weit oben, am Rande eines Gebüsches stehen nochmals einige Pflanze, bei denen es sich um Ophrys tetraloniae handeln könnte. Übrigens ist es hier fast unerträglich schwül, und das, obwohl es schon recht spät am Nachmittag ist. So ganz erklärlich ist uns das nicht. Jedenfalls kleben Hemd und Hose auf der Haut und die Mücken surren heftig. Noch schönere Ophrys gracilis finden wir dann oberhalb der Straßenböschung hinter einem Gehölz.

Anderthalb Stunden haben wir hier verbracht, und jetzt wird es Zeit, auf direktem Wege zurück zum Hotel zu fahren. Nach so viel schönen Funden schmeckt uns das Essen heute besonders gut. Leider, wie jeden Tag, denn nach dem Urlaub muss ich entsetzt 3 Kilo Übergewicht feststellen. Aber das geht schon wieder runter, schließlich stehen uns ja noch die anstrengenden Märsche in den Alpen zu unseren Lieblingen, den Kohlröschen, bevor. Die brauchen aber noch ein Weilchen, ehe sie auf den Matten ihre aparten Blüten öffnen werden.
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