ORCHIDEEN EUROPAS

Exkursionsberichte
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Griechenland -

Im Land der Götter

Teil VIII - Auf der Suche nach einer seltenen Schönheit

vom 14. bis 27. April 2001

Dr. Helmuth Zelesny, Börtlingen

 

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Eine Griechenlandexkursion wäre unvollkommen, würde man nicht eine der schönsten Ragwurzarten überhaupt gesehen haben. Ihretwegen machen wir einen gehörigen Umweg bis weit hinauf auf dem Festland. Dabei merken wir ziemlich schnell, dass es gar keinen Sinn hat, in den tieferen Lagen nach der schönen Helena zu suchen, so heißt nämlich das Objekt unserer Begierde. Die Vegetation ist wegen des warmen Spätwinters ungewöhnlich weit entwickelt. So wollen wir uns vornehmlich auf die Berge im Norden konzentrieren. Eine kurze Rast machen wir in Arta, wo eine der am besten erhaltenen türkischen Brücken steht. Apropos türkisch. Was auch nicht viele wissen: Fast 4 Jahrhunderte herrschten die Türken in Griechenland. 1453 eroberten sie Konstantinopel und ganz Griechenland mit Ausnahme einiger Inseln. Erst 1821 erhoben sich die Griechen. Ihr Freiheitskampf dauerte fast 7 Jahre und wurde 1827 nach der Intervention von Russland, Großbritannien und Frankreich beendet. Direkt an unserem weiteren Weg liegt ein in der Literatur beschriebener Standort von Ophrys helenae. Einen kurzen Blick wollen wir riskieren, wenn wir schon mal hier sind. Und nach wenigen Minuten haben wir die erste Ophrys helenae vor uns stehen. Weitere finden wir in der teilweise zugewachsenen, mit Eichen durchsetzten ehemaligen Weide. Die meisten sind schon weit aufgeblüht, aber einige sind auch noch sehr fotogen. Und wir müssen zustimmen, diese Art ist wirklich unerhört schön. Irritiert sind wir etwas über die Höhenangabe des GPS. Nur 50 Meter über dem Meer?? Das kann eigentlich nicht sein. Auch die moderne Technik kann sich eben mal irren.

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Wir passieren Ioannina, wo wir froh sind, an diesem Sonntag an einem Straßenkiosk neue Batterien für den Kugelblitz zu ergattern. Bei uns im Supermarkt hätte ich für das gleiche Geld dreimal mehr bekommen. Aber was soll's. Sonntagszuschlag eben. Wir folgen einem schmalen Sträßchen, auch deshalb, weil man an wenig befahrenen Wegen besser nach den Blumen sehen und fast überall anhalten kann, ohne den Verkehr zu behindern. Da entdecken wir in der Weide rechts der Straße Ragwurzpflanzen. Es ist schon kurios. Gestern hatten wir noch schönes Wetter, aber keine Helena zur Verfügung. Heute gibt es genügend Helena, aber es regnet. Der Kommentar meines Kollegen ist eindeutig, nachdem ich eine schöne, flotte Musik im Radio eingestellt habe: "Nur das Wetter ist noch schlechter". Wir vespern also zuerst, das erste mal im Wagen. Das Motto: "Wir müssen leider drinnen bleiben". Da wird deutlich, dass so ein Twingo doch verdammt klein ist. Vielleicht ist aber auch nur unser Vesper zu groß.

Als der Regen nachlässt, erkunden wir die offenen Flächen. Ophrys helenae ist hier eindeutig die häufigste Orchidee. Und sie steht in voller Blüte. Dass wir diese Art so mühelos und in so großer Zahl finden würden, hätten wir wirklich nicht gedacht. So aber können wir uns die schönsten Exemplare aussuchen. Und die stehen am und innerhalb eines Kiefernwäldchens. Dort sind sie auch deshalb besonders fotogen, weil der Regen etwas weniger grob mit der schönen Helena umgegangen ist. Die Flächen werden offensichtlich extensiv durch Rinder beweidet, die eine ganze Menge Orchideen übriggelassen haben. Überrascht sind wir von dem gelben Affodill, der hier gar nicht so selten in Blüte steht. Orchis morio, die hier ebenfalls in beachtlicher Zahl steht, ist zum Teil schon in voller Blüte.

 

 

 

 

 

 

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Wir fahren ganz langsam weiter. Und überall steht Ophrys helenae, sogar am Straßenrand. Mitten in einem der kleinen Dörfer kommen wir an einem noch nicht bebautem Grundstück vorbei. Und was wir da sehen, haut uns fast um. Über 1.000 voll erblühte Ophrys helenae auf einer Fläche halb so groß wie ein Fußballfeld! Sie stehen dort, wie bei uns die Margeriten in den mageren Wiesen. Die Art ist offensichtlich wenig anspruchsvoll und es stellt sich schon die Frage, warum das Verbreitungsgebiet dieser Art so eng begrenzt ist. Von einem weiteren Standort werden Albinos der schönen Helena gemeldet. Klar, dass wir uns dort näher umsehen müssen. Das wäre schon ein besonderer Höhepunkt an diesem Tag. Eine ganz nackte Helena sozusagen. Das Wetter hat sich auch gebessert, die Sonne scheint, oder besser gesagt sticht vom Himmel. In der Ferne allerdings hat sich ein schwarzer Wolkenberg aufgetürmt und wir hören schon das ferne Grollen des Donners.

Das Gewitter kommt zielstrebig auf uns zu, die Wolken werden immer bedrohlicher. Aber wir haben dann doch noch fast eine Stunde Zeit uns umzusehen, bevor Regen und Sturm losbrechen. Die "nackte" Helena finden wir in dieser Zeit trotz intensiver Suche nicht. Kein Wunder, bei dem Wetter. Ist ihr wahrscheinlich zu ungemütlich. Dafür dürfen wir uns (und das Internet) über eine Hybride Ophrys helenae x Ophrys mammosa und verschiedene Orchis morio x Orchis papilionacea heroica freuen.

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Der Tag geht zu Ende. In einem kleinen Ort finden wir tatsächlich so etwas ähnliches wie ein Hotel. Von außen ist das gar nicht erkennbar, die Zimmer aber sind o.k.. Neben Hotel ist das Gebäude offensichtlich auch der zentrale Treffpunkt der gehfähigen männlichen Bevölkerung der Umgebung. Als wir das Haus betreten wird es ziemlich still und alle mustern uns nachdenklich als wollten sie sagen: Wo kommen die denn her um Gottes Willen. Manchmal ist es auch von Vorteil, mit Geländeklamotten und Gummistiefeln rumzulaufen. Jedenfalls werden wir herzlichst aufgenommen. Ein älterer Grieche setzt sich zu uns, nachdem er mitgekriegt hat, dass wir uns in deutsch unterhalten. Und schon geht's los: Wo du herkommen, ich viele Jahre gearbeitet in Hannover, schöne Stadt, schönes Land und so weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wir unterhalten uns prächtig. Es ist wieder kurios. Da muss man in den letzten Winkel der griechischen Berge fahren, um jemanden zu treffen, der deutsch spricht. Immerhin erfahren wir so, dass dieser Landstrich zu den ärmsten der Region zählt und die jungen Leute fast alle ausgewandert sind. Das ist bedenklich, auch deshalb, weil sich die Frage stellt, wer die extensive Landwirtschaft weiter betreiben wird, wenn die alten mal nicht mehr sind. Wer kümmert sich dann um die schöne Helena? Das beste aber ist, dass unser neuer Freund den Wirt gut kennt, den er sofort herzitiert und vorsingen lässt, was er zu Essen machen könnte. Das erspart uns das sonst übliche heitere Rätselraten mit der Speisekarte. Das Essen, extra für uns frisch zubereitet, und der offene Wein schmecken vorzüglich. Da kann man sogar den Regen, der draußen wieder eingesetzt hat, verschmerzen.
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